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Westwind: Ein Jahr vor dem Ende der DDR reisen die beiden unzertrennlichen Zwillingsschwestern Doreen (Friederike Becht) und Isabel (Luise Heyer) ins sozialistische Ferienlager im westungarischen Balaton, ehemals Plattensee, um dort für ihre Karriere als Kaderruderer im Zweier ohne zu trainieren. Als sie ein Quartett versnobter, aber sympathischer Hamburger Jungs kennenlernen, schleichen sie sich nachts aus dem umzäunten Pionierlager...

Handlung und Hintergrund

Ein Jahr vor dem Ende der DDR reisen die beiden unzertrennlichen Zwillingsschwestern Doreen und Isabel ins sozialistische Ferienlager im westungarischen Balaton, ehemals Plattensee, um dort für ihre Karriere als Kaderruderer im Zweier ohne zu trainieren. Als sie ein Quartett versnobter, aber sympathischer Hamburger Jungs kennenlernen, schleichen sie sich nachts aus dem umzäunten Pionierlager, um verbotenerweise mit dem Klassenfeind zu feiern. Dabei verliebt sich Doreen in den sensiblen Arne und gerät in einen tiefen Gewissenskonflikt.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Robert Thalheim
Produzent
  • Susann Schimk,
  • Jörg Trentmann
Darsteller
  • Friederike Becht,
  • Luise Heyer,
  • Franz Dinda,
  • Volker Bruch,
  • Hans-Uwe Bauer,
  • Hannes Wegener,
  • Albrecht Schuch
Drehbuch
  • Ilja Haller,
  • Susann Schimk
Musik
  • Christian Conrad
Kamera
  • Eeva Fleig
Schnitt
  • Stefan Kobe,
  • Christoph Sturm,
  • Oliver Grothoff
Produktionsleitung
  • Jörg Trentmann

Kritikerrezensionen

    1. In seinem dritten Spielfilm inszeniert Regisseur Robert Thalheim eine deutsch-deutsche Liebesgeschichte aus dem Jahr 1988. Im Sommer am ungarischen Balatonsee treffen Isabel und Doreen aus der DDR zwei junge Männer aus Hamburg. Doch der Eiserne Vorhang zieht sich auch hier im Ferienland durch diese Freundschaft, die den ostdeutschen Sportlerinnen verboten ist. Aber Isa und Doreen sind jung, sie mögen die gleiche Musik wie Arne und Nico und sie haben die Bevormundung durch ihren Trainer satt, also klettern sie nachts heimlich über den Zaun des Pionierlagers, um die Jungs aus Hamburg zu treffen. „Westwind“ basiert auf der Geschichte der Produzentin Susann Schimk und ihrer Zwillingsschwester. Susann Schimk zeichnet neben Ilja Haller auch für das Drehbuch verantwortlich.

      Der Anachronismus des Eisernen Vorhangs und die Aufbruchstimmung, die ein Jahr später dazu führen wird, dass Ungarn seinen Gästen aus der DDR die Grenzen zum Westen öffnet, bilden den Hintergrund für die zarte Liebesgeschichte. Thalheim wählt eines der sichersten Mittel, um die Absurdität politischer Unfreiheit zu zeigen: zwei Königskinder, die zueinander nicht kommen können wie in dem alten Volkslied, nämlich junge Verliebte, die stets ein besonders starkes Symbol für das menschliche Grundrecht auf Selbstbestimmung sind. Im Zusammenspiel mit Popmusik aus den achtziger Jahren – man könnte die Geschichte streckenweise auch andersherum auffassen, als filmische Interpretation des Liedes „Just Like Heaven“ von The Cure – entsteht eine atmosphärische Dichte, der sich vermutlich kaum jemand entziehen kann.

      Es gab schon mal einen ähnlichen filmischen Ansatz, in dem die DDR-Diktatur stilvoll zu Grabe getragen wurde: „Wie Feuer und Flamme“ aus dem Jahr 2001, von Regisseurin Connie Walter, erzählte sogar noch etwas leidenschaftlicher und intensiver von zwei Jugendlichen, deren Liebe Anfang der Achtziger gegen die Berliner Mauer keine Chance hatte. Auch in jenem Film überzeugte die Authentizität, die auf einer wahren Geschichte basierte. In „Westwind“ geht es nicht einmal so sehr um die beiden Liebenden, die männlichen Charaktere beispielsweise bleiben eher knapp skizziert, sondern vielmehr um die viel größere Geschichte einer Bewusstwerdung, die sich für die Schwestern aus der DDR im Hintergrund abzeichnet.

      Das Zwillingspaar wird von den Schauspielerinnen Luise Heyer und Friederike Becht dargestellt. Mit ihren oft nur still fragenden Gesichtern scheinen sie die Kluft zwischen Ost und West zu erspüren und gleichzeitig auch die wachsende Entfremdung von den Verboten, die ihnen die DDR zumutet. Der Film lässt sich viel Zeit für diesen Prozess, vom anfänglichen „Könnt ihr bitte wieder gehen?“ der Zwillinge, als die Hamburger Jungs im Pionierlager aufkreuzen, über Szenen der Neugier und Lebenslust in der ungarischen Disko mitsamt deutsch-deutschen Sprachunterschieden bis hin zum Rudertraining am See. Die Schwestern arbeiten beim Sport sichtlich ihren existenziellen Problemstau ab, denn mit jedem unbeschwerten Treffen mit Arne – gespielt von Franz Dinda - und Nico – gespielt von Volker Bruch - stellt sich die Frage dringender, warum diese Freundschaft nicht erlaubt sein soll.

      In diesem Film ist vom düster-bedrohlichen DDR-Alltag praktisch nichts zu sehen, in der sommerlichen Zeltlager-Atmosphäre am Balaton hallt das Echo der restriktiven Heimat schon aus einiger Entfernung. Der Trainer muss natürlich den einmal entdeckten Westkontakt seiner Schützlinge unterbinden. Ein junger Betreuer aus Ostdeutschland singt abends Lieder zur Gitarre, und die Zwillinge in ihren grünen Badeanzügen – „Muttis Geschenk“ - stecken konspirativ und unschuldig wie vermutlich schon immer die Köpfe zusammen, um die Rebellion, etwas Tollkühnes wie Würfeln um die Zukunft, zu beschließen.

      Fazit: Zartfühlende deutsch-deutsche Liebesgeschichte in sommerlicher Atmosphäre am ungarischen Balatonsee, in der sich ein Jahr vor dem Fall der Mauer der Anachronismus des Ostblocks spiegelt.
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      1. Die Zwillingsschwestern Doreen und Isabel reisen Ende der 80er Jahre aus der DDR gemeinsam in ein ungarisches Sommerlager am Balaton, wo sie für Rudermeisterschaften trainieren wollen. Nichts kann ihre Zweisamkeit stören, bis eines Tages ein paar Hamburger Jungs in ihr Leben treten und die Mädchen dazu verführen, nachts heimlich aus dem Ferienlager auszubrechen, um ein bisschen Spaß zu haben. Doch aus Spaß wird Ernst, als Doreen sich in einen der Jungs verliebt und mit ihm in den Westen fliehen will. Ein deutsch-deutscher Sommer vor der Wende aus dem Blickwinkel der Jugendlichen. So erzählt Regisseur Robert Thalheim die Geschichte der ungleichen Zwillingsschwestern. Politik und gesellschaftsrelevante Themen werden in diesem frischen Melodram nur gestreift und vermitteln sich eher nebenbei, viel wichtiger ist die private Geschichte unter den Bedingungen der deutschen Teilung. Sonnige, stimmige Bilder und eine authentische Ausstattung erschaffen zusammen mit passendem Soundtrack das Lebensgefühl der 80er Jahre. Nostalgisches Gefühlskino mit grandiosen sympathischen Darstellern.

        Jurybegründung:

        Ungarn zu Zeiten der DDR. Hier konnten sich Ost- und Westdeutsche zufällig über den Weg laufen und die Unterschiede der Systeme drückten sich eher durch modische und verbale Unterschiede aus als durch unterschiedliche politische Ansichten.
        In diesem Stück (Reise-)Freiheit ist die „Coming of Age“-Geschichte der beiden Zwillingsschwestern angesiedelt, die zu den großen sportlichen Hoffnungsträgern der DDR zählen. Sie stehen unmittelbar vor dem Sprung nach Berlin, dem sportlichen Aufstieg zu prestigeträchtigen nationalen und evtl. ja auch internationalen Wettkämpfen. Dass die historischen politischen Verhältnisse als Bühne verwendet werden, ohne sie immer wieder im Detail zu erklären, macht den Film für Zuschauer interessant, lädt zum Mitdenken und persönlichen Erinnern ein. Zugleich hebt sich der Film konsequent von einfach gestrickten Komödien ab, die ihren Humor aus einem billigen ?Clash‘ der Kulturen ziehen. Der Humor ist fein eingestreut, die Charaktere sind bis in die Nebenrollen glaubhaft angelegt und verfügen über individuelle Tiefe. Alle Figuren sind unprätentiös gezeichnet und beziehen besonders hieraus ihren Charme.
        Drehorte und Ausstattung sind perfekt, die Zeitreise in das Ungarn kurz vor der Wende ist in jeder Hinsicht überzeugend und auch die peinlichen modischen Exzesse der westdeutschen Diskobesucher dienen nur der historischen Einordnung und nicht als Vorlage für oberflächliche Lacher. Kulturelle Unterschiede sind keine Running Gags, sondern einfacher Alltag.
        Das Drehbuch und die Bildsprache sind sorgfältig aufeinander abgestimmt. Die bis zu diesem Pionierlager unzertrennlichen Zwillingsschwestern, stets einig in ihren Urteilen, Zielen und Gefühlen, werden erstmals mit individuellen Empfindungen konfrontiert. Und im gleichen Maße, wie sie sich innerlich unterschiedlich entwickeln, werden sie auch immer distanzierter voneinander in Szene gesetzt. Der synchrone Ruderschlag des Zweiers ohne gerät aus dem Takt und irgendwann trainiert Isa alleine im Einer - erfolgreich. Es gibt also auch ein individuelles Ich im bisherigen Wir.
        Eindrucksvoll gelingt es dem Regisseur, den Kampf der Zwillinge mit den eigenen Gefühlen und die womöglich erste und gleich ganz große Liebe glaubhaft zu inszenieren und dabei deutlich zu machen, dass die unterschiedlichen Entwicklungen der Schwestern nicht mit politischer Ideologie oder wirtschaftlichem Opportunismus verknüpft sind. Hier werden die ganz großen Entscheidungen des Lebens getroffen, ohne dabei auf die Gefühlsdrüse zu drücken.
        Geprägt wird der Film von einer stets mitschwirrenden Bedrohung durch Diffamierung, wobei auf den Einsatz des stereotypen Stasi-Verräters aber konsequent verzichtet wird. Die mit einem perfekten Gefühl für Timing inszenierte Flucht gerät schließlich zu einem Wettlauf mit der Zeit. ,ohne zu einem klassischen Krimi heraufstilisiert zu werden. Die finale Einblendung, dass die Mauer ein Jahr später geöffnet wurde, entlässt den Zuschauer mit dem Gefühl der Erleichterung, da die staatlichen Repressalien gegenüber der zurückgeblieben Schwester sich zumindest zeitlich in einem erträglichen Rahmen abgespielt haben.
        Dieser Film nimmt den Zuschauer äußerst gekonnt und angenehm berührend auf eine Zeitreise mit, die atmosphärisch dicht erzählt ist und der es gelingt, individuelle Schicksale im Schatten eines repressiven politischen Systems zu verorten, ohne jede (N)Ostalgie oder westliche Überheblichkeit herauszukehren. So sehr es den Zuschauer auch interessieren mag, was aus beiden Schwestern geworden ist, so konsequent ist es, die Zukunft komplett auszublenden. Denn das ist eine andere Geschichte, die den Rahmen dieses Films gesprengt hätte. Manchmal ist weniger eben wirklich mehr.

        Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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