Wie sicherlich alle Musical-Fans ging ich mit hohen Erwartungen in die Vorführung von „Wicked“ – und wurde davon emotional noch stärker mitgenommen als vom beliebten Original.
Praktisch zum Ausklang des Jahres erwartet Fans von Musicals und Fantasy gleichermaßen ein besonderes Highlight im Kino: „Wicked“. Das gleichnamige Broadway-Musical begeistert seit 2003 mit der Geschichte der missverstandenen „bösen“ Hexe des Westens Elphaba und wirft damit einen anderen Blick auf den Klassiker „Der Zauberer von Oz“. Am 12. Dezember 2024 startet „Wicked“ in den deutschen Kinos, doch wer nicht so lange warten will, kann jetzt schon in zahlreichen Kinos eine Preview wahrnehmen.
Diese Chance ließ auch ich mir nicht entgehen, weswegen ich bereits in den Genuss der Adaption kam. Auf die Gefahr hin, mir mit meinem Fazit den Unmut etlicher Fans zuzuziehen, muss ich gestehen: Die Verfilmung hat mich tatsächlich mehr mitgenommen als das Musical.
Das Original sah ich erstmals in diesem Oktober in der Westend-Aufführung in London. Obwohl mich die imposante Materialschlacht, die auf der Bühne abgebrannt wurde, während der Sichtung restlos begeisterte, verflog meine Euphorie danach leider zu einem gewissen Teil. Narrativ gab es für mich ein paar Baustellen, entsprechend hatte ich die Hoffnung, dass die Verfilmung dort ansetzt, um seine Daseinsberechtigung zu erlangen. Als hätten sie meine Gebete erhört, taten die Drehbuchautorinnen Winnie Holzman und Dana Fox genau das. Zudem gelang es Regisseur Jon M. Chu („In the Heights“), die Vorteile des Mediums Film gezielt zu nutzen, um die Highlights von „Wicked“ auf zweierlei Art noch auszubauen.
Wie er dabei vorging, verriet er uns im Interview zu „Wicked“, in dem er zusammen mit den Stars Jeff Goldblum und Michelle Yeoh auch seinen Lieblingssong kürte:
Aus diesen 3 Gründen ist der „Wicked“-Film besser als das Musical
Bei Adaptionen stellt man sich gerne mal die Frage: Braucht es das überhaupt? Auf der Suche nach einem Existenzgrund versuchen die Verantwortlichen deswegen oftmals, Figuren oder Nebenhandlungen auszuschmücken, was leider meistens katastrophal scheitert. Dem „Wicked“-Film gelang der schwierige Balanceakt, das Original mit mehr Inhalt zu befüllen, jedoch ausgezeichnet, da man offenbar gezielt auf die narrativen Elemente einging, die im Original zu kurz kamen. So erhält beispielsweise das Schicksal der sprechenden Tiere mehr Platz, was im Vergleich zum Musical eine für mich notwendige Ergänzung war. Zudem wurde der anfänglichen Beziehung zwischen Fiyero und Elphaba mehr Raum gegeben, was bereits hier seine Wirkung nicht verfehlte und sicherlich auch in der Fortsetzung „Wicked – Part 2“ von Vorteil sein wird.
Neben den narrativ korrekten Ergänzungen verstand es Jon M. Chu zudem, das neue Medium als solches zu seinem Vorteil zu nutzen. Wie er uns im obigen Interview erklärte, wollte er zum einen die intimeren Momente enger begleiten und zugleich das Spektakel ausbauen. Dieser scheinbare Gegensatz – den Film gleichzeitig größer und kleiner zu machen als das Musical – wurde auf meisterliche Art und Weise realisiert, woraus sich die beiden weiteren Gründe ergeben, die den Film für mich zu einem besseren Werk machen.
Denn so beeindruckend die erwähnte Materialschlacht auf der Bühne auch sein mag: Die Hollywood-Verfilmung liefert uns ein noch gewaltigeres Spektakel. Ein imposantes Set jagt das nächste, die bekannten Szenen aus dem Musical werden prachtvoller inszeniert, wodurch jede einzelne Musikeinlage zu einer abwechslungsreichen Augenweide wird. Ja, an etlichen Stellen wird auch mit Spezialeffekten nachgeholfen und ich verstehe es völlig, wenn man das greifbare Erlebnis der Musical-Bühne bevorzugt. Mich riss das im Film gebotene opulente Treiben jedoch von Anfang an mit und es ließ mich über die nicht gerade wenigen 160 Minuten nicht mehr los.
Das lag auch daran, dass „Wicked“ in den genau richtigen Momenten einen Gang zurückschaltete und seine Charaktere das Spektakel sein ließ. Denn wie Jon M. Chu richtig anmerkte, bietet das Kino neben der größeren Bildgewalt zugleich den gegenteiligen Vorteil gegenüber einer Musical-Bühne: Man kann die Emotionen der Schauspieler*innen besser einfangen. Schließlich müssen diese nicht derart groß spielen, damit auch die Leute in der zehnten Reihe noch etwas davon haben. Ein feineres Schauspiel voller Nuancen ist so möglich. Gerade Elphaba-Darstellerin Cynthia Erivo demonstrierte hier ihre ganze Klasse und auch Ariana Grande glänzte in diesen Momenten neben ihrem sonst beeindruckenden Comedy-Geschick mit der nötigen emotionalen Schwere. Wie viel den beiden diese Geschichte persönlich bedeutet, merkt man besonders in ihren gemeinsamen Szenen, denn ihre Chemie miteinander ist ein wahres Highlight des Films.
Entsprechend gespannt bin ich, ob dieses Niveau in der Fortsetzung gehalten werden kann. Schlauer sind wir am 20. November 2025, wenn „Wicked – Part 2“ in den deutschen Kinos startet. Bevor die lange Wartezeit beginnt, wünsche ich euch aber natürlich erst einmal viel Spaß bei „Wicked“ und ich hoffe, dass euch die Adaption genauso überzeugt wie mich.
Wie gut ihr euch mit dem Fantasy-Hit „Wicked“ auskennt, könnt ihr in unserem Quiz herausfinden: