Wintermärchen: Jan Bonny dekonstruiert den NSU in einer hochgelobten, skandalösen und kräftigen Parabel über drei Verlierer, die zusammengehalten werden von Sex, Neid und Hass
Handlung und Hintergrund
Eine hässliche Vorstadt, grauer Alltag. Perspektivlosigkeit und Billigalkohol vom Supermarkt. Becky (Ricarda Seifried) und Tommi (Thomas Schubert) führen ein Leben das geprägt ist von Frust, dem wachsenden Gefühl der Machtlosigkeit und nur wenigen Ausbrüchen, Exzessen, die umso heftiger geschehen. Schießübungen im Wald. Saufpartys und harter Sex. Als Maik (Jean-Luc Bubert) als dritter im Bunde dazustößt, ist die kritische Masse erreicht. Der Hass schaukelt sich auf und drängt zur Tat.
Geilheit, Rausch und Gewalt. Die drei stacheln sich in ihrer Radikalität immer weiter auf. Aus den Rachefantasien wird Realität, als sie sich bewaffnen und willkürlich beginnen, Ausländer zu ermorden. Dem Kick der Gewalt folgt das einengende Leben im Untergrund in einer geteilten Wohnung. Auch die Beziehung der drei untereinander ist von Hass geprägt. Maik drängt sich zwischen Tommi und Becky. Irgendwann gibt es keine Grenzen mehr.
„Wintermärchen“ — Hintergründe
Die NSU-Parabel „Wintermärchen“ war zwar der einzige deutsche Beitrag beim Locarno Filmfestival 2018, erfuhr dafür umso größere Aufmerksamkeit. Geschockt und begeistert zugleich berichteten Kritiker von Jan Bonnys zweiten Spielfilm, der sehr frei mit den realen Geschehnissen der NSU-Morde umgeht. Bonny war bereits mit dem Drama „Gegenüber“ zum Thema häusliche Gewalt ein Skandalfilm gelungen. Mit „Wintermärchen“ taucht er noch tiefer in einen Strudel aus Sex, Suff und Gewalt ein — ein filmischer Schlag in die Magengrube.
Obwohl die Parallelen zwischen „Wintermärchen“ und den Vorbildern Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe klar zu erkennen sind, geht es dem Drama nicht um eine faktische Wiedergabe der NSU-Morde. Vielmehr erkundet das Skript von Bonny und Co-Autor Jan Eichberg die Dynamik des Zusammenlebens dreier Menschen, die vor allem durch ihren Hass miteinander verbunden werden. In den Hauptrollen sind dabei Ricarda Seifried („Polizeiruf 110“), Thomas Schubert („Wilde Maus“) und Jean-Luc Bubert („Nichts geht mehr“) zu sehen.
Besetzung und Crew
Regisseur
- Jan Bonny
Produzent
- Bettina Brokemper
Darsteller
- Ricarda Seifried,
- Thomas Schubert,
- Jean-Luc Bubert
Drehbuch
- Jan Bonny,
- Jan Eichberg
Musik
- Lucas Croon
Kamera
- Benjamin Loeb
Schnitt
- Stefan Stabenow,
- Christoph Otto