Wir Wunderkinder: Ehrlichkeit zahlt sich aus, heißt es, aber für Hans scheint das nicht zu gelten: Obwohl er stets brav und fleißig ist, hat sein verschlagener, selbstsüchtiger Klassenkamerad Bruno stets die besseren Karten. Später, während des Dritten Reichs, verliert Hans mangels brauner Gesinnung seinen Job als Feuilletonredakteur während Bruno auf die Moral pfeift und es sich als hohes Tier in der Partei gut gehen lässt. Auch...
„Wir Wunderkinder“ im Kino
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Handlung und Hintergrund
Hans Boeckel und Bruno Tiches sind Klassenkameraden. Doch während Hans fleißig und brav ist, lernt Bruno schon früh, den eigenen Vorteil im Auge zu behalten. Ähnlich gegensätzlich ist auch ihr späteres Leben während des Dritten Reiches: Hans hat es zum Feuilletonredakteur gebracht, verliert die Stelle aber wegen mangelnder brauner Gesinnung, Bruno hingegen ist ein hohes Tier in der Partei. Da ihn die Besatzer nach dem Krieg für unentbehrlich halten, gelingt es ihm, ein erfolgreicher und angesehener Geschäftsmann zu werden. Als Hans sich daran macht, Brunos braune Vergangenheit aufzudecken, kommt es zu einem Wiedersehen der beiden, das für Bruno tödlich endet.
Vier Jahrzehnte deutscher Geschichte, vordergründig dargestellt an den unterschiedlichen Charakteren Hans Boeckel und Bruno Tiches: Während Opportunist Tiches sowohl bei den Nazis als auch in der Nachkriegszeit erfolgreich ist, bekommt Boeckel die Folgen seiner Integrität ein ums andere Mal zu spüren. Zum Showdown kommt es, als sich Boeckel daran macht, die braune Vergangenheit Tiches‘ aufzudecken.
Besetzung und Crew
Regisseur
Kurt Hoffmann
Produzent
Hans Abich
Darsteller
Hansjörg Felmy,
Robert Graf,
Johanna von Koczian,
Wera Frydtberg,
Elisabeth Flickenschildt,
Ingrid van Bergen,
Jürgen Goslar,
Tatjana Sais,
Liesl Karlstadt
Drehbuch
Heinz Pauck,
Günther Neumann
Musik
Franz Grothe
Kamera
Richard Angst
Kritikerrezensionen
Die Deutsche Film- und Medienbewertung
Der Bewertungsausschuss würdigt damit den Versuch, ein halbes Jahrhundert deutscher Geschichte in kabarettistisch-glossierender Form darzustellen. Die locker gefügte Szenenfolge lässt zwei Komponenten erkennen: einmal die „Montage“ zeitgeschichtlicher Vorgänge und zum anderen die Abhandlung eines privaten Schicksals. Diese zwei Wirklichkeitsebenen werden einander in Bänkelsängermanier gegenübergestellt. Daraus ergibt sich eine Bilderbogengeschichte im Kostüm der Moritat. Die kabarettistische Ironie vermag der geschichtlichen Realität zwar manchen witzigen Effekt abzugewinnen, doch gleitet sie bisweilen allzu deutlich in die überzeichnete Karikatur ab. Das wirkt sich in gewisser Weise nachteilig auf die Darstellung der nationalsozialistischen Phänomene aus. Diese finden ihre Verkörperung in der Figur des von Anfang an rabaukenhaften Herrn Tiches, der es zu einer hohen Funktion in der braunen Diktatur bringt. Ihm ist als eine Art Gegenspieler sein ehemaliger Klassenkamerad Dr. Böckel gegenübergestellt. Dieser wiederum symbolisiert den „anständigen“ Deutschen. Während nun aber die private Lebenssphäre Dr. Böckels völlig realistisch dargestellt wird, sind die Akteure und Statisten der nationalsozialistischen Herrschaft so stark karikiert, dass sie keine leibhaftigen Gegenspieler mehr abgeben, sondern Popanze und Gespenster, die es wenig glaubhaft erscheinen lassen, dass sie im Grunde ja die verwerflichen Statthalter und Funktionäre des Verbrechens sind. Es wäre nach Auffassung des Bewertungsausschusses dem Thema dienlicher gewesen, wenn mit der gleichen Gewichtigkeit, mit der die Szenen im Bereich des privaten Schicksals geprägt sind, auch die historische Kulisse gezeichnet worden wäre. Offenbar trägt die kabarettistische Überzeichnung der einen Seite daran Schuld, dass plötztlich das vielberufene, vielverleumdete sogenannte Wirtschaftswunder für das grausige politische Versagen des deutschen Volks herhalten muss.
Hier enthält der Film ganz offensichtlich einen schlimmen Denkfehler, ja einen Kurzschluss, indem er nämlich glauben machen möchte, dass der Typus des überlebenden Nazis und der Typus des Wirtschaftswunder-Kapitäns miteinander identisch seien. Zwar bricht sich Tiches als der ewige Konjunkturist durch einen Sturz in den Fahrstuhlschacht den Hals, aber der Film lässt die Möglichkeit offen, dass der stupide Konjunkturist für die demokratische Gesellschaftsordnung schlechthin bestimmend bleibt. Der deus-ex-machina-Schluss des Films ist zwar als kabarettistische Pointe geradenoch erträglich, stellt aber eine gefährliche posthume Verharmlosung des Nationalsozialismus dar, wie der Filmschluss denn überhaupt erkennen lässt, dass eine geistige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit unterbleibt und dass der Film nicht einmal dazu herausfordern möchte. Die instinktlose Begräbnisszene erweckt den Eindruck, als gebe es eine Solidarität der Konjunkturisten unter dem Segen der politisch bestimmenden Kreise von heute. Ist das Wirtschaftswunder (als eine Summe unserer Anstrengungen) wirklich eine Spätblüte des Nationalsozialismus?
Wenn der Film trotz der hier aufgezeigten stilistischen und formalen Mängel das Prädikat Wertvoll erhält, so deshalb, weil er in formaler Hinsicht eine geschlossene Leistung darstellt, wie sie historisierende Filme dieser Art selten erreichen. Der Film besitzt Witz und manche Treffsicherheit bei der Glossiereung zeitgeschichtlicher Erscheinungen, und er bringt diesen Witz auch in der Fotografie zum Ausdruck. Die Fäden der Handlung sind präzise geknüpft, und die Regie stellt ein gediegenes Ensemblespiel auf die Beine, das eine Fülle beachtlicher schauspielerischer Einzelleistungen enthält. Hier verdienen vor allem die Leistungen von Robert Graf, Johanna von Koczian, Elisabeth Flickenschildt und Hansjörg Felmy hervorgehoben zu werden. Die Besetzung ist bis in die Nebenrollen hinein durchdacht und gut getroffen. Auch vom Schnitt her beweist der Film seinen kabarettistischen Pfiff und seine gediegene dramaturgische Durchformung.