Wenn jemand im Alter sagen kann, er habe sich jeden Kindheitstraum verwirklicht, dann ist er ein glücklicher Mensch. Woody Allen, geboren am 1. Dezember 1935 im New Yorker Stadtteil Brooklyn, sagt, er sei alles geworden, wovon er als Junge träumte: Schauspieler, Filmemacher, Klarinettist. Seine Schwester, die Produzentin Letty Aronson, erinnert sich, dass der quirlige Bruder nicht wirklich in die Familie passte, denn die Eltern stellten sich ihren Sohn als Apotheker vor. Martin Scorsese, Sean Penn, Diane Keaton, Allens Manager äußern sich neben vielen anderen vor der Kamera, es gibt sogar eine Archivaufnahme mit seiner Mutter Nettie Konigsberg.
Woody Allen tippt seine Drehbücher nicht am Computer, sondern auf einer mechanischen Schreibmaschine. Er zeigt Weide im Film, wie er das Problem mit dem Verschieben von Absätzen löst. Seine Ideensammlung für weitere Projekte besteht aus einem dicken Stapel gelber Zettel, den er griffbereit in seiner Nachttischschublade hält. Bodenlos enttäuscht davon, was aus seinem ersten Drehbuch für den Film What´s New Pussycat von 1965 wurde, beschloss Allen, nur noch Filme zu machen, bei denen er selbst Regie führen konnte und sich von niemandem mehr hineinreden lassen musste. Trotzdem kann er jedes Jahr wieder drehen. Aber er arbeitet nach Aussage des Filmkritikers Leonard Maltin auch so sparsam, dass die Produzenten nicht um ihr Geld bangen müssen, selbst wenn der neue Film dann wieder mal kein richtiger Kassenschlager werden sollte.
Solche Einblicke in Woody Allens Arbeitsweise und seine Kreativität sind die Highlights dieser Dokumentation. Als Mensch wird er am ehesten erkennbar in seiner Arbeit, darin bringt er seine spezifischen Widersprüche am besten zum Ausdruck. Man erfährt, was er von seinen frühen Komödien hält, warum es ihn immer wieder auch zum ernsten Drama hinzieht, und dass seine schnelle Arbeitsweise auch mit Ungeduld zu tun hat. Die Schauspieler, die sich in diesem Film äußern, finden ihn als Regisseur sehr angenehm, er gebe kaum Anweisungen, verlasse sich ganz auf ihr Können. Manche von ihnen macht das auch nervös und sie verlangen Feedback. Weide durfte am Set von You Will Meet a Tall Dark Stranger die Stimmung einfangen.
Sein Privatleben schottet Allen auch vor dieser Dokumentation weitgehend ab. Die Frauen an seiner Seite werden erwähnt, der Trennungsstreit mit Mia Farrow wegen seiner Beziehung mit ihrer Adoptivtochter im Jahr 1992. Und es gibt hübsche Erinnerungen an seine Kindheit in Brooklyn. Allen führt Weide persönlich zu seinem Elternhaus, man sieht den kleinen Jungen auf Fotos fröhlich lächeln. Den introvertierten, neurotischen Grübler mit dem dunklen Brillengestell gab er offenbar erst später. Direkt im Anschluss an die Schule fing Allen an, für Zeitungen Witze und Gags zu schreiben, und seither gingen ihm die Aufträge und Anfragen nie aus: von Radiosendern, TV-Shows, dann vom Film.
Zwischen die Aussagen seiner Interviewpartner streut Weide Ausschnitte aus Allens Filmen und frühen Show-Auftritten, die sein komisches Talent von den Anfängen her in Erinnerung rufen. Die Filme werden in verschiedene Schaffensperioden unterteilt, wobei Der Stadtneurotiker von 1977 als Meilenstein für das Komödiengenre gepriesen wird. Aus europäischer Sicht ist es allerdings ein bisschen schade, dass kaum darauf eingegangen wird, weshalb Allen in den letzten Jahren gerne diesseits des Atlantiks dreht.
Fazit: Woody Allen: A Documentary ist ein informatives Porträt des Ausnahmeregisseurs mit interessanten Einblicken in seine Arbeitsweise.