Ukraine, 1942. Larissa und Abrascha sind zwei musikalische Wunderkinder, denen selbst Stalin bei ihren Vorführungen zujubelt. Als das deutsche Mädchen Hanna sich wünscht, mit beiden musizieren zu können, wird aus ihr und den beiden jüdischen Kindern bald ein eingeschworenes Kleeblatt. Doch dann marschieren die Deutschen in Russland ein und der Krieg reißt die drei Freunde brutal auseinander. Die Geschichte um eine intensive und doch viel zu kurze Freundschaft steht stellvertretend für das Schicksal 1,5 Millionen jüdischer Kinder, die während der Nazi-Zeit ihren Familien entrissen wurden und ums Leben kamen. Regisseur Marcus O. Rosenmüller erzählt diese interessante und wichtige Geschichte als berührendes Melodram mit hochkarätiger Besetzung. Allen voran überzeugt Konstantin Wecker, der als grausamer und manipulativer Nazi-Kommandant brilliert. Doch auch die Kinder spielen ihre Rollen glaubhaft und stimmig. Mit der detailgetreuen, oft opulenten Ausstattung entsteht so ein überzeugendes Zeitkolorit. Seine Emotionalität bezieht der Film darüber hinaus auch aus der Dramatik des unausweichlichen Schicksals, das dem Zuschauer stets im Bewusstsein ist.
Jurybegründung:
Es ist bemerkenswert, dass die CCC-Filmproduktion kontinuierlich einer ihrer wesentlichsten Traditionslinien folgend, antifaschistische Filme produziert und thematisch auf besondere Weise variiert. WUNDERKINDER erzählt die Geschichte von drei musikalisch außergewöhnlich begabten Kindern, die während des zweiten Weltkrieges ihre Freundschaft trotz unterschiedlicher Nationalität und Religion bewahren. Diese Freundschaft ist vor allem bedroht, weil der Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion alle Protagonisten von einem Tag auf den anderen an den Rand der Existenz treibt. Hanna ist Deutsche und Tochter des erfolgreichen Brauereibesitzers Reich, der sich infolge des Hitler-Stalin-Paktes in der Ukraine angesiedelt hat. Abrascha und Larissa, die beiden ukrainischen Wunderkinder, sind Juden. Als die deutsche Familie nach Bekanntgabe des Überfalls ins Fadenkreuz des NKDW gerät, helfen die jüdischen Freunde und deren Angehörige den Fremden, zu überleben. Alle Versuche der Reichs, später ihrerseits die jüdischen Familien der Kinder zu retten, scheitern. Nur die beiden Wunderkinder werden zunächst geschont, müssen aber anlässlich einer Gedenkfeier der Deutschen mit äußerster Perfektion um ihr Leben konzertieren. Ein Standartenführer und kunstsinniger Unmensch - von Konstantin Wecker brillant in seiner Vielschichtigkeit dargestellt - hat diesen teuflischen Plan ausgeheckt. Abrascha, der unbelastet in diese Prüfung geht und beseelt musiziert, besteht die Prüfung. Larissa aber hält dem Druck nicht stand und bricht zusammen. Der Zuschauer wird innerhalb dieser Filmsequenz Zeuge einer psychologisch genau ausgeloteten Grenzsituation. Der Standartenführer hat dem Mädchen vor dem Konzert die physische Überlegenheit der Nazis auf perfide Weise demonstriert. Schläge hätte das Mädchen womöglich ertragen, aber die Art und Weise, wie der Mann einen Apfel zerteilt und diese Tätigkeit kommentiert, treibt die kleine Pianistin während des Konzerts in eine ausweglose Situation. Durch emotional aufgeladene Schnittfolgen, die das Schneiden des Apfels und den Abtransport der Eltern in den eigentlichen Vorgang des Konzertes integrieren, wird spannend und vor allem überzeugend gezeigt, dass Larissa das Spiel verlieren wird. Eine filmische Meisterleistung von hoher Emotionalität. Leider gelingt es dem konsequent aus der Sicht der Kinder erzählten Melodram nur partiell, in die Tiefe zu loten. Sowohl die Figurenbeziehungen als auch die Wendungen der Fabel überzeugen nicht immer. So wird u.a. das Entstehen der Freundschaft zwischen Hanna und den ukrainischen Wunderkindern eher gesetzt als überzeugend gestaltet. Während hier wie auch bei der Rahmenhandlung Mängel des Drehbuches zu beklagen sind, werden andere Szenen (z.B. Angriff und Erschießung der Klavierlehrerin Irina Salomonowa / Gefahrensituation für Abrascha als er in der Brauerei zunächst dem Vorarbeiter gegenübersteht und sich dann vor Nazi verstecken muss / Fluchtsituation am Kartoffelfeld) unglaubhaft inszeniert. Dem Film wurde andererseits bescheinigt, dass gleichnishafte Elemente wie die „Kraftsteine“, Helgas besondere Beziehung zu den Fischen oder der unterschiedliche Umgang mit Äpfeln als Symbolträger die Geschichte bereichert haben. Der tote Hirsch im Wald dagegen wirkte - auch in Zusammenhang mit der kindlichen Frage zum Krieg - als Allegorie künstlich und überzogen. Auffällig ist die liebevolle Ausstattung des Filmes. Vom Panzer bis hin zur kleinsten Schreibtischfigur wurde von den Filmemachern äußerste Milieugenauigkeit angestrebt. Bedauerlicherweise muss in diesem Zusammenhang angemerkt werden, dass allein die Zutaten noch nicht ein vollkommenes Gericht garantieren. Die historisch verbürgten Requisiten und Fahrzeuge wirkten leider allzu oft clean, als wären sie vor dem Dreh extra geputzt und rein gewaschen worden. Auch nach dem Bombenangriff im Krankenhaus ähnelt die Szenerie eher einem kunstvoll arrangierten Theaterzauber als einem wirklichen Inferno. Den talentierten Kinderdarstellern, aber auch den ausgewiesen wandlungsfähigen Schauspielern, ist nicht anzulasten, dass emotionale Betroffenheit sich zwar bei einzelnen Sequenzen (wie z.B. beim Abtransport der jüdischen Angehörigen, Hannas Sprachverlust oder der Küchenszene vor dem Konzert und der Konzertsequenz selbst) herstellt, allerdings über die lange Strecke des Filmes immer wieder verloren geht. Hier versucht die leider eher illustrativ eingesetzte, nichtsdestotrotz wunderbare Musik raumgreifend wett zu machen, was der Inszenierung nicht durchweg gelungen ist. Neben den genannten Problemen betonten alle Begutachter als wesentlichen Vorzug dieses thematisch wichtigen Filmes den weitestgehenden Verzicht auf direkte Darstellung physischer Gewalt und würdigten WUNDERKINDER als wesentliche Bereicherung der Kino- und Fernsehlandschaft.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)