Im Jahr 2001 griff die Terrororganisation Al-Qaida unter der Führung von Osama Bin Laden die westliche Welt an, als er das World Trade Center zerstörte. Danach war Bin Laden Staatsfeind Nr. 1, die Mission lautete: Aufspüren und töten. Die CIA stellte Sonderkommandos ab, Hinweise wurden akribisch untersucht und wie Puzzleteile zusammengesetzt, bis zehn Jahre später, im Mai 2011, die Mission erledigt wurde. Bin Laden wurde in seinem Versteck aufgespürt und von einer Sondereinheit erschossen. Dies alles erzählt Kathryn Bigelow in ihrem neuen Film und wählt dafür die Perspektive von Maya, einer jungen CIA-Agentin, die sich in einer männerdominierten Welt mit aller Härte, auch gegen sich selbst, behauptet. Jessica Chastain ist überragend als Maya, die wie besessen ihr Ziel verfolgt. Dabei macht der Film schnell klar, dass persönliche Beziehungen keine Rolle spielen. Bigelow zeigt ungeschönt und auf beeindruckend intensive Art alle Seiten dieser Form eines Krieges und lässt dabei auch nicht den Aspekt des Folterns und die Menschenverachtung beider Seiten außer Acht. Der Film wertet nicht, sondern dokumentiert, er malt nicht schwarz-weiß und zeigt keine offene Kritik. Es liegt allein am Zuschauer, die subtil gesetzten Zeichen zu deuten. Intelligent, schonungslos und anspruchsvoll - das filmische Protokoll einer Jagd.
Jurybegründung:
Kathryn Bigelow und ihrem Drehbuchautor Mark Boal gelingt es hier, sehr authentisch und detailreich von der Jagd des amerikanischen Geheimdienstes auf Osama Bin Laden zu erzählen und dabei die in Hollywood typischen Klischees zu vermeiden. Vor allem verzichten sie auf eine suggestiv, verherrlichende Erzählweise, wie schon früh bei den Folterszenen durch die Agenten des CIA deutlich wird. In diesen wird das kreatürliche Leid der Gefolterten deutlich. Sie sind zwar für einige Zuschauer (auch in der Jury) kaum zu ertragen, machen aber deutlich, dass es in dieser Geschichte keine gerechten Helden und bösen Schurken gibt, sondern dass die Grenzen verschwimmen und dieser Krieg auf beiden Seiten mit schmutzigen Mitteln geführt wird. Dabei zeigen Bigelow und Boal möglichst ehrlich und komplex, was geschehen ist, und überlassen es dem Zuschauer, darüber zu urteilen. Die komplizierten Fahndungsprozeduren mit den zahlreichen Informationsquellen, Rückschlägen, Sackgassen und dem langsamen Annähern an den Gesuchten werden mit einer bemerkenswerten Klarheit dargestellt. Dies ist vor allem der dramaturgisch geschickten Entscheidung geschuldet, die Geschichte aus der Perspektive einer CIA-Agentin zu erzählen, die hartnäckig und gegen große Widerstände ihrer Vorgesetzten die eine Spur verfolgt, die schließlich zum Erfolg führt. Jessica Chastain spielt sie als eine zähe, durchsetzungsfähige und hochprofessionelle Protagonistin, die aber nicht mit den im Kino gängigen Mitteln heroisiert wird. Stattdessen wird immer deutlich gemacht, welchen Preis sie persönlich für ihre besessene Suche zahlt. Sie hat kein Privatleben und in der letzten Einstellung fühlt sie sich nicht als eine Siegerin, sondern weint. Der Wechsel der politischen Verhältnisse von Bush zu Obama (der nur mit einer prägnanten Aussage im Fernsehen auftaucht) beeinflusst die Arbeitsweise des Geheimdienstes und dies wird sehr effektiv mit einem lakonischen Satz („Lass dich nicht mit einem Hundehalsband erwischen!“) deutlich gemacht.
ZERO DARK THIRTY hält die Spannung eines guten Thrillers, bietet vor allem aber auch einen genauen Einblick in die Arbeitsweise des amerikanischen Geheimdienstes. In der letzten halben Stunde wird im Stil einer Dokumentation und nahezu in Echtzeit der Angriff auf Bin Ladens Festung nachinszeniert. Und in dieser virtuos gefilmten Sequenz wird der tote Bin Laden nicht ausgestellt, denn Bigelow will keine triumphalen Gefühle am Ende einer Jagd wecken.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)