Ali und Brian könnten nicht unterschiedlicher sein. Ali ist schwarz, rechtschaffen und achtet immer auf die Einhaltung des Gesetzes. Brian ist weiß, trinkt und ist hoffnungslos unzuverlässig. Beide sind Cops in Kapstadt und ermitteln zusammen in einem Mord an einer Tochter aus gutem Hause. Nach und nach stellt sich jedoch heraus, dass ihre Untersuchungen im Drogen- und Bandenmilieu nur an der Oberfläche des Falls kratzen. Die Spur führt die Polizei bis in die Townships, wo seit geraumer Zeit Kinder verschwinden. Ali und Brian erkennen, dass es hier um viel mehr geht als „nur“ einen Mord - und dass auch ihr eigenes Leben in Gefahr ist. Südafrika zwischen Rassismus, den Wunden des Apartheid-Regimes und der Chance auf einen Neuanfang: Das ist das politisch-gesellschaftliche Gefüge, in das Jerome Salle seine Figuren steckt. Um diesen Spagat zwischen traumatisierter Vergangenheit und einer möglichen Zukunft aufzuzeigen, verweigert der Film jegliche Schwarz-Weiß-Zeichnung und siedelt die Verbrecher in allen Kultur- und Gesellschaftsschichten an. Und auch die Guten haben ihre Ecken und Kanten. Brian, cool und abgebrüht gespielt von Orlando Bloom, ist nicht wirklich ein „good cop“. Er trinkt, missachtet Vorschriften und denkt eher schlecht über seine Heimat Südafrika. Ihm gegenüber steht Ali, den Forest Whitaker zunächst mit stoischer Ruhe und Ausgeglichenheit spielt. Doch immer mehr verrät seine Mimik das persönliche Trauma Alis, der zum menschlichen Pulverfass wird, bereit, zu explodieren. Salle gelingt es, die Figuren in diesem gefährlichen Spannungsfeld festzuhalten und den Zuschauer förmlich in den Sitz zu pressen, bis hin zu einem nervenzerreißenden und packenden Showdown, dessen unglaubliche Bilder dem Zuschauer noch lange im Gedächtnis bleiben werden. ZULU ist spannender Polizeifilm, Gesellschaftsdrama und expressives Actionkino in einem. Und dazu noch ein hochbrisanter filmischer Beitrag über die Lebensrealität in Südafrika.
Jurybegründung:
Als Junge musste Ali Sokhela mit ansehen, wie sein Vater bei einem Massaker im Township grausam ermordet wurde. Er selbst und seine Mutter haben nur knapp überlebt. Heute ist Ali Chef der Mordkommission von Kapstadt, aber das Trauma plagt ihn noch immer. Nach außen ist er ein ruhiger und rechtschaffener Mensch, der ganz in seiner Arbeit aufgeht und dabei strikt auf die Einhaltung des Gesetzes achtet. Er wirkt stets kontrolliert und scheint die staatliche Doktrin der Vergebung gegenüber den ehemaligen Unterdrückern verinnerlicht zu haben. So hat er auch Nachsicht mit seinem impulsiven und unzuverlässigen Mitarbeiter Brian Epkeen. Der hadert mit seiner Herkunft aus einer stramm nationalistischen Familie und einer Scheidung, ist dem Alkohol und den Frauen zugetan, setzt sich über Vorschriften hinweg und greift mitunter zu unkonventionellen Methoden. Das wird deutlich, als die beiden den brutalen Mord an einer jungen Frau aus einer angesehenen weißen Familie untersuchen. Was zunächst wie ganz gewöhnliche Polizeiarbeit aussieht, nimmt größere Dimensionen an, als im Blut der Toten Spuren einer aggressiven neuen Droge entdeckt werden. Die Ermittlungen führen ins gewalttätige Banden- und Drogenmilieu und in die Townships, wo in letzter Zeit zahlreiche schwarze Kinder verschwunden sind. Aber bald müssen die Polizisten erkennen, dass dahinter mächtige Interessen und Seilschaften stehen, die weit ins Apartheid-System zurückreichen.
Mit ZULU, nach dem Roman von Cary Ferey, ist Jérôme Salle ein außergewöhnlicher Film gelungen, der sowohl Polizei- als auch Politthriller ist und fiktionale Elemente mit historischen Ereignissen mischt, die in Südafrika nach wie vor virulent sind. Ohne vordergründig politisch zu argumentieren oder zu werten, zeigt er ein zerrissenes Land voller Widersprüche. Dabei bewegt er sich im schnellen Wechsel souverän zwischen weiten Stränden, düsteren Townships und luxuriösen Villen in Gated Communities. Das Setting wirkt absolut authentisch und vermittelt die im Land nach wie vor bestehenden Gegensätze und Gewaltverhältnisse. All das ist in exzellenten Bildern mit teilweise extremen Kamerawinkeln eingefangen, und gleich zu Beginn macht eine atemberaubende Luftaufnahme von Kapstadt die sozialen Brüche deutlich.
Die eigentliche Krimihandlung ist in rasantem Tempo erzählt mit perfekt inszenierten Schießereien und Verfolgungsjagden. Sie ist spannend, hart und düster und trotz einiger überraschender Wendungen plausibel und nachvollziehbar. Schockierende Momente der Gewalt sind durch die Geschichte begründet und spiegeln die Realität eines Landes, das auch zwanzig Jahre nach Ende der Apartheid geprägt ist durch krasse Unterschiede von Arm und Reich und durch die Ressentiments, die die Menschen noch immer in sich tragen. Der Rassismus ist in vielen Details spürbar und wird im Film durch ein bis in die Nebenrollen hervorragendes Darstellerensemble überzeugend vermittelt. Das Augenmerk liegt allerdings auf den beiden Hauptpersonen und auf der Entwicklung ihrer gegensätzlichen Charaktere, die gleichzeitig auch die Gegenpole der südafrikanischen Gesellschaft markieren.
Beide kommen bei der Lösung des Kriminalfalles und in ihrer eigenen Entwicklung erst dann voran, als sie sich über soziale Konventionen und persönliche Beschränkungen hinwegsetzen. Während Brian Epkeen, gespielt von Orlando Bloom, sein Selbstmitleid aufgeben und sich mit seiner Herkunft aussöhnen muss, geht Ali Sokhela den umgekehrten Weg. Er legt seine schier übermenschliche Selbstbeherrschung ab und sucht Vergeltung. Diese Wandlung macht der Film glaubhaft nachvollziehbar.
Gleich am Beginn stehen drastische Bilder, als der junge Ali Zeuge des grausamen Lynchmordes an seinem Vater wird und um sein eigenes Leben rennen muss. Eine weitere Rückblende macht zum späteren Zeitpunkt das ganze Ausmaß seiner eigenen Verletzung deutlich. Ali Sokhela, eindringlich verkörpert von Forest Whitaker, ist ein „Gezeichneter“: An seinem Gesicht und seiner Körperhaltung kann man das Trauma und die Anstrengung ablesen, die es kostet, dennoch die Kontrolle zu behalten und der Gerechtigkeit zur Geltung zu verhelfen. Aber als die Hintergründe und Hintermänner der Verbrechen enttarnt werden, die schließlich auch nicht davor zurückschrecken, seine Mutter zu töten, ist auch für ihn die Grenze des Erträglichen überschritten. Ali Sokhela muss das Recht verlassen, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun.
In den weiten Sanddünen Namibias kommt es zum Showdown. Hier ändert der Film seine Bildsprache und seinen Rhythmus und nimmt sich Zeit, dieses archaische Ende zu zelebrieren. Damit begibt er sich auf eine surreal anmutende Ebene jenseits von Gut und Böse und schafft eine Katharsis nicht nur für seinen Protagonisten, sondern letztendlich auch für den Zuschauer.
ZULU von Jérôme Salle ist ein beeindruckender Film, dessen Bilder, Charaktere und Hintergründe nachhaltig in Erinnerung bleiben.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)