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Jud Süß - Film ohne Gewissen: Mehr schlecht als recht schlägt sich der gebürtige Wiener Ferdinand Marian im Jahr 1939 als Schauspieler durchs Leben. Seine Chance kommt, als ihm die Hauptrolle in einer Verfilmung von "Jud Süß" angeboten wird, auch wenn er aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung des Projekts zunächst zögert. Propagandaminister Goebbels lässt keinen Zweifel daran, dass Marian den Part spielen muss. Marian glaubt, die Situation unter...

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Handlung und Hintergrund

Mehr schlecht als recht schlägt sich der gebürtige Wiener Ferdinand Marian im Jahr 1939 als Schauspieler durchs Leben. Seine Chance kommt, als ihm die Hauptrolle in einer Verfilmung von „Jud Süß“ angeboten wird, auch wenn er aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung des Projekts zunächst zögert. Propagandaminister Joseph Goebbels lässt keinen Zweifel daran, dass Marian den Part spielen muss. „Jud Süß“ ist wichtig für Goebbels‘ Pläne und Marian in seinen Augen genau der Richtige. Marian glaubt, die Situation unter Kontrolle zu haben: Seine Frau ist Jüdin. Doch das Spiel mit dem Feuer bleibt nicht ohne Folgen.

Mehr schlecht als recht schlägt sichder gebürtige Wiener Ferdinand Marian im Jahr 1939 als Schauspieler durchs Leben. Seine Chance kommt, als ihm die Hauptrolle in einer Verfilmung von „Jud Süß“ angeboten wird, auch wenn er aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung des Projekts zunächst zögert. Propagandaminister Goebbels lässt keinen Zweifel daran, dass Marian den Part spielen muss. Marian glaubt, die Situation unter Kontrolle zu haben: Seine Frau ist Jüdin. Doch das Spiel mit dem Feuer bleibt nicht ohne Folgen.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Oskar Roehler
Produzent
  • Franz Novotny,
  • Markus Zimmer
Darsteller
  • Tobias Moretti,
  • Martina Gedeck,
  • Moritz Bleibtreu,
  • Justus von Dohnányi,
  • Armin Rohde,
  • Martin Feifel,
  • Ralf Bauer,
  • Robert Stadlober,
  • Paula Kalenberg,
  • Milan Peschel,
  • August Zirner,
  • Heribert Sasse,
  • Erika Marozsán,
  • Anna Unterberger,
  • Martin Butzke,
  • Lena Reichmuth,
  • Gudrun Landgrebe
Drehbuch
  • Klaus Richter
Musik
  • Martin Todsharow
Kamera
  • Carl-Friedrich Koschnick
Casting
  • Anja Dihrberg

Kritikerrezensionen

    1. Oskar Roehler macht gerne überdrehte, verdrehte Filme, die irgendwie anecken – kein Wunder, er hat Anfang der 90er angefangen in der Schlingensief-Familie. Problematisch wird’s bei Roehler, wenn er versucht, in den Mainstream zu gelangen – das war bei den weichgespülten „Elementarteilchen“ so, als er mit Bernd Eichinger zusammengearbeitet hat; und nun ist es genauso, bei „Jud Süß – Film ohne Gewissen“, bei dem er ein Drehbuch Klaus Richter verfilmte, der eben eher gediegene Filmkost serviert, und der mit den „Comedian Harmonists“ einen Film mit ähnlicher Richtung wie Roehlers fiktives „Jud Süߓ-Making of verfasst hat.

      Wobei: Eigentlich geht es weniger um den berüchtigten NS-Propagandafilm „Jud Süߓ von Veit Harlan als um dessen Hauptdarsteller Ferdinand Marian. Und ganz eigentlich ist der heimliche Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu als Joseph Goebbels, eine an sich undankbare Rolle, die seit Silvester Groths Darstellungen in Dani Levis „Mein Führer“ und Tarantinos „Inglourious Basterds“ eigentlich nicht mehr spielbar ist.

      Doch Bleibtreu macht seine Sache staunenswert gut, immer wieder spielt er viel zu laut, viel zu groß, so, wie es dem übergroßen Goebbels-Mythos angemessen ist; bellt seine Worte heraus, unterstreicht jede Aussage mit überdeutlichen Gebärden, gebärdet sich sowieso wie ein Derwisch – um dann wieder ganz leise zu sein, ganz still im Hintergrund zu beobachten, wie sich seine Impulse in Taten, Worte, Gedanken auswachsen, ganz nach seinem teuflischen Spiel. Bleibtreu spielt eine ganz mephistophelische Figur, von der egal ist, ob und wie sehr sie den historischen Goebbels trifft – er ist der master of puppets, der die Fäden in der Hand hält und zusieht, wie alle sich nach seinem Gutdünken bewegen.

      Was Roehler mit Bleibtreu geschafft hat: Überzogenheit, die sich zu filmgewordener höherer Wahrheit verdichtet, das hätte er auch mit dem Rest des Films schaffen können. Denn heute kennt eigentlich keiner mehr Ferdinand Marian, eben nur vom Hörensagen als Hauptdarsteller in „Jud Süߓ, ein Film, den auch nur wenige wirklich gesehen haben, weil er – völlig zurecht – in Deutschland nur unter strengen Auflagen vorgeführt werden darf. Harlans „Jud Süߓ ist vielleicht der perfideste, hasserfüllteste Film, den es gibt – gerade weil er so perfekt inszeniert ist, ein vollendetes Historienmelodram mit einem hervorragenden Mimen in der Titelrolle. Marian ist nämlich in der Tat ein großartiger Darsteller – meist von charmant-charismatischen, moralisch indifferenten Verführern. In dieser Typenbesetzung ist er hervorragend, nicht nur in anerkannten Klassikern wie „Romanze in Moll“ oder „Münchhausen“, sondern auch in kleinen, heute vergessenen Filmen wie in „Die Nacht der Zwölf“, einem seiner letzten Werke – da spielt er einen Heiratsschwindler und Mörder, der mit Chuzpe (falls das Jiddische hier gestattet ist) versucht, durchzukommen – die von ihm betrogenen titelgebenden zwölf Frauen jedenfalls decken ihn, weil sie nach wie vor von ihm und seiner Ausstrahlung gebannt sind.

      Da nun beide – Marian und „Jud Süߓ – heute nicht mehr wirklich bekannt sind, hätte Roehler freie Hand gehabt. Um die historische Wahrheit einigermaßen exakt darzustellen, hätte es wohl eines Dokumentarfilms bedurft – was Roehler nie vorhatte. Ein Spielfilm aber hätte nun wirklich auch eine Art Fantasie über das Thema sein können, so, wie Bleibtreus Goebbels eine Fantasie über den wirklichen „Filmminister“ des Dritten Reichs ist. Doch Roehler entschied sich für den Mittelweg – und der bringt den Tod des Films. Denn allzu sehr bleibt Roehler in einer filmischen Aufarbeitung dessen stecken, was er als wirkliches Geschehen behauptet – und ist aber andererseits eben nicht der Wahrheit verpflichtet, erfindet eine viertelsjüdische Ehefrau Marians hinzu, die Goebbels als Erpressungsmaterial nutzt, um Marian in die Rolle des Juden Süß zu zwingen.

      Roehler geht dann aber auch nicht weiter: er lässt seinen Marian, von Tobias Moretti gespielt, zwar erklären, er würde diesen Juden möglichst sympathisch darstellen, um aus „Jud Süߓ eben doch keinen Propagandafilm zu machen, um die goebbelssche Absicht zu unterlaufen – aber andererseits begleitet Roehlers Film die Dreharbeiten zu „Jud Süߓ so wenig, so läppisch, so beiläufig, dass sich aus Marians Aussage keine Konsequenzen ergeben. Wie also die Wirkung des Films hergestellt wurde, das bleibt nach wie vor im Dunkeln.

      Die Wirkung selbst wiederum, die bildet dann einen Schwerpunkt bei Roehler – allerdings auch eher auf der Ebene der Behauptung als auf der des Zeigens. Ja: 20 Millionen Zuschauer haben „Jud Süߓ damals gesehen, er wurde (offenbar recht erfolgreich) zum antisemitischen Aufputschen nicht nur der Bevölkerung, auch konkret der SS-Wachsoldaten in KZs eingesetzt. Doch die subtile Wirkung des Hassfilms auf sein Publikum sieht man nur durch die Auswirkungen auf den Hauptdarsteller Marian, der auf diese eine Rolle fixiert wird; und sich darüber auch mit Goebbels vollends entzweit – in Roehlers Film wohlgemerkt, nicht in der historischen Wirklichkeit. Tatsächlich hat Marian in der Ufa weiter seine Karriere betreiben können, er hat danach noch zehn weitere Filme gedreht. Immerhin wurde er von Goebbels als kriegswichtiger Schauspieler eingestuft, was ihn vor dem Kriegseinsatz verschonte.

      Zudem ist das Ganze dramaturgisch ziemlich schwach: am Ende werden die Zeitsprünge immer länger, und Marian fährt sich dann recht plötzlich, nachdem er von ehemaligen jüdischen KZ-Insassen verprügelt wurde, mit dem Auto in den Tod. Marian also als Opfer der Umstände, zuletzt gar der Juden. Das wäre an sich eine unerhörte Verdrehung der Tatsachen, fast schon ein Skandal in seiner apologetischen Absicht, in der Vertauschung der Täter- und Opferrollen – hätte man nicht ständig das Gefühl, dass die Filmemacher einfach nicht genug nachgedacht haben.

      Allerdings: Marians Charakterisierung ist denn insgesamt doch ziemlich gut gelungen: als Schauspieler, der zwischen Skrupel und Eitelkeit schwankt, der den Erfolg seines Films genießt und zugleich Angst hat vor dem Monster, das er erschaffen hat. Zwar ist Moretti als Marian nicht so gut wie der echte Marian in seinen Filmen. Mit Blicken, mit kleinen Regungen seiner Gesichtsmuskeln – die Falten von Nase zu Mundwinkeln! die Lippen, die ein ironisches, einnehmendes Lächeln bilden! – kann Marian, der echte, größte Wirkung entfalten; auch war er ein Spieler mit ganzem Körper, Haltung, Gestik: alles passte zu seinen schmierigen, verführerischen, eleganten Charakteren – „zwielichtige Genussmenschen, sympathische Bonvivants“, wie es bei Roehler mal heißt. Moretti dagegen agiert mitunter eher bieder wie Willy Birgel, steht steif da, mit aufgeklebtem Lächeln…

      Am ehesten ist der Film – oder vielleicht besser: der Regisseur Roehler –in Szenen bei sich, die kaum zum Rest des Films passen. Nach einer der Galaaufführungen von „Jud Süߓ arrangiert Goebbels, der Mann im Schatten, ein Treffen Marians mit der geilen Ehefrau eines SS-Kommandanten (Gastrolle: Gudrun Landgrebe), und da gerät der Film in die Art von Wahrheitsfantasie, von Historientrash, die der ganze Film hätte sein können, vielleicht hätte sein sollen: vor dem Hintergrund des nächtlichen Berlins bei einem Bombenangriff, vor Flakscheinwerfern, Explosionen und röhrenden Flugzeugmotoren nimmt Marian sie von hinten, am Fenster, und zitiert dabei seine Vergewaltigungsszene aus „Jud Süߓ, zu ihrem wolllüstigen Vergnügen: „Ja, fick mich, Jude!“

      Fazit: Unausgegorenes Historiendrama um Ferdinand Marian und seine Titelrolle in „Jud Süߓ mit ein paar wunderbaren Momenten – und vielen schlechten.
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      1. Der geachtete Bühnenschauspieler Ferdinand Marian reagiert völlig überrascht, als Joseph Goebbels ihm die „Rolle seines Lebens“ anbietet: Er soll den jüdischen Kaufmann in dem antisemitischen Propagandafilm Jud Süss von Veit Harlan übernehmen. Doch Marian zögert: Soll er sich zur Marionette der Nationalsozialisten machen lassen, ohne das Regime kritisch zu hinterfragen? Und welche Auswirkungen hat dies auf seine Karriere, seine Ehe und seine Beziehungen zu Kollegen und Freunden, ob jüdisch oder nicht? All diese Fragen stellt der kontroverse Film von Oskar Roehler in den Raum. Und anstatt sie zu beantworten, führt er seinen Helden Marian, überzeugend dargestellt von Tobias Moretti, durch die Erzählung, hin- und hergerissen zwischen Ruhm und Gewissen. Neben vielen hochkarätigen Schauspielern brilliert besonders Moritz Bleibtreu mit einer fast schon parodistischen und dennoch authentischen Darstellung des fanatischen Goebbels. Die notwendige Distanz zum brisanten Thema wird durch die hohe Künstlichkeit stets aufrecht erhalten. Der Zuschauer kann reflektieren und ist niemals gezwungen, sich zu identifizieren. Der Film will und kann nicht allen gefallen, er polarisiert. Ohne erhobenen Zeigefinger und mit einem Mut zum Risiko, der hohe Beachtung verdient.

        Jurybegründung:

        Diesen Film von Oskar Roehler hat die FBW-Jury intensiv und lange diskutiert. Zahlreiche Gesichtpunkte wurden in dieser interessanten Diskussion angeführt und im Hinblick auf den künstlerischen Wert sowie die kommunikative Wirkung betrachtet. Es wurden plausible Argumente für und gegen den Film vorgebracht. Diese Kontroverse war einerseits sachlich, aber andererseits blieben die Gemüter erhitzt. Der Stoff ist brisant und dessen Inszenierung provokant. Die Figuren und symbolkräftigen Bilder sind ambivalent und ermöglichen die unterschiedlichsten Deutungen.

        Umstritten war unter anderem die Frage, ob parodistische sowie kolportageartige Stilelemente dem ernsten Thema gerecht werden. Sind Filme mit ausgeprägtem Unterhaltungscharakter angemessen, wenn es auch um Genozid geht? Was sollen diese drastischen Darstellungen von Sex und Krieg (wenn z. B. eine perverse Offiziersgattin mit Marian die Vergewaltigungsszene aus JUD SÜSS nachahmt und sich dem verbotenen Sex mit einem fiktiven Juden hingibt, während über dem brennenden Berlin die Bomben fallen)? Wieso setzt Roehler auf gezielt übertriebene Spielweisen der Darsteller?

        Moritz Bleibtreu versprüht in der Rolle des Joseph Goebbels luziden Charme und verbreitet mit Scherzen und aufmunternden Blicken und Gesten gute Laune. Diese mephistophelische Figur ist scheinbar der Protagonist im Film, obwohl es ja eigentlich um Ferdinand Marian und seine Hauptrolle geht. Der für Jud Süss verantwortliche Regisseur Veit Harlan rutscht quasi zur Nebenfigur herab. Es gehört durchaus zur künstlerischen Freiheit, dass historische Fakten vernachlässigt werden und diverses Material für eine fiktionale Szenerie eigenwillig angeordnet wird. Allerdings ist es dann naheliegend, dass gerade angesichts der deutschen Geschichte ‚politisch inkorrekte‘ Inhalte scharf kritisiert werden. Roehler geht diese Risiken mutwillig ein. Er experimentiert, fabuliert und provoziert. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Versuche filmkünstlerisch scheitern, ist groß. Unter den Jurymitgliedern fiel die Bewertung sehr heterogen aus. Es gab von keinem Gutachter uneingeschränkte Zustimmung. Die Einwände waren jeweils mit plausiblen Argumenten belegt. Ob verschiedene Gestaltungsmittel (wie die entsättigte Farbe, der UFA-Ton, die nachgestellten Szenen aus dem Originalfilm, die mit authentischen Originalaufnahmen kombiniert sind usw.) angemessen sind oder nicht, darüber gab es geteilte Meinungen. Dennoch setzte sich nach längerer Diskussion bei der Mehrheit die Auffassung durch, dass trotz der verschiedenen Punkte, an denen der Film angreifbar wird bzw. wegen der sonderbaren ‚Schwachstellen‘, die zur Kritik und kontroversen Diskussion herausfordern, ein außergewöhnliches filmkünstlerisches Resultat zu verzeichnen ist. Die Transgression von Verhaltensmustern, die Durchleuchtung von Machtstrukturen, die Verdeutlichung des Dilemmas, in dem die Individuen stecken und andere neuralgische Aspekte bilden eine kritische Masse mit spezifischer filmästhetischer Qualität.

        Filme, die polarisieren und kontroverse Diskussionen auslösen, haben ihren Wert. Selbst wenn handwerklich nicht alles gelungen ist, ausschlaggebend ist letztlich die kommunikative Relevanz. Angesichts einer komplexen Semantik, die dem Publikum Sichtweisen vorstellt und offene Fragen hinterlässt, gelangte die Mehrheit der FBW-Gutachter zu der Auffassung, dass dieser filmische Beitrag zum Diskurs über individuelles Verhalten im Kontext von Machtstrukturen des Nationalsozialismus einen besonderen Wert bietet.

        Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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