Vielen mag es wie ein Sakrileg vorkommen, doch für uns ist tatsächlich „Agatha All Along“ der beste Marvel-Titel in diesem Jahr. Warum, das verraten wir euch im Folgenden.
„Deadpool & Wolverine“ begleitete seit seiner Ankündigung ein enormer Hype durch die Marvel-Fans und das Ergebnis wurde den Erwartungen offenbar gerecht: Wochenlang dominierte das Debüt der beiden Titelhelden im Marvel Cinematic Universe (MCU) die Kinocharts dieser Welt und eine emotionale Reaktion jagte die nächste. Wie sollte da ein anderer Marvel-Titel in diesem Jahr noch heranreichen? Vor allem „Agatha All Along“?
Das Spin-off zu „WandaVision“ wurde im Vorfeld eher belächelt als bejubelt. Mehrfach geisterte die Frage durch das Internet, wer diese Serie überhaupt brauche und selbst nach der Premiere der ersten beiden Folgen fanden sich vielfach Abgesänge auf „Agatha All Along“. Trotz dieser Vorzeichen schaffte es die Serie, die Herzen von mir und meiner Kollegin Eileen von Woche zu Woche immer mehr zu erobern, weswegen sich jetzt unsere vermutlich kontroverse Meinung gefestigt hat: „Agatha All Along“ ist der beste Marvel-Titel in 2024. Warum wir zu diesem Fazit kommen und warum ihr der Serie hier auf Disney+ unbedingt eine Chance geben solltet, falls ihr sie bisher ignoriert habt, erklären Eileen und ich euch in den folgenden spoilerfreien Zeilen.
Zunächst einmal könnt ihr euch aber unser Interview mit der fantastischen Kathryn Hahn zu Gemüte führen:
Andi: Tolle Charaktere sind mehr wert als Nostalgie
Um mir direkt den Unmut etlicher Marvel-Fans zuzuziehen: „Deadpool & Wolverine“ funktionierte für mich leider nur bedingt. Der Film setzte meiner Meinung nach mit seinen vielen Cameos zu sehr auf den Nostalgie-Faktor und wurde so einmal mehr zu einem unrunden Multiversum-Stelldichein, das die Gefühle und Charaktere zu kurz kommen ließ. Wolverines Entwicklung war mir zu vorhersehbar und blass, seine eigentlich emotionale Geschichte zu flach und wenig ausgearbeitet. Deadpool sorgte natürlich für einige launige Sprüche, aber insgesamt war mir das schlicht zu viel Stückwerk.
Ganz anders „Agatha All Along“. Bereits nach den ersten beiden Folgen fühlte ich mich in den Händen von Showrunnerin Jac Schaeffer, die erneut nach „WandaVision“ die Strippen zog, bestens aufgehoben. Was mich von Anfang überzeugte, waren die Dialoge, die in bester MCU-Manier mit schnippischen, in kurzer Abfolge auf einen einprasselnden Kommentaren direkt für humoristische Unterhaltung sorgten. Ich atmete regelrecht erleichtert auf, denn dieses einstige Markenzeichen der Reihe kam mir in den letzten Jahren oftmals leider viel zu kurz oder wurde nicht gut umgesetzt. Damit aber nicht genug, denn wie in den besten Werken des Franchises findet „Agatha All Along“ trotz all des Spaßes die richtige Balance zwischen Humor und Ernst.
Fast immer steht und fällt ein Werk für mich mit den Charakteren und hier wuchsen sie mir im Laufe der neun Folgen definitiv ans Herz. Das gelang vor allem, weil sich die Serie die Zeit nimmt, den persönlichen Probleme und Anstrengungen der Hexen genügend Raum zu geben. Bei allen wird verständlich, warum sie ihr Leben riskieren, um auf dem gefährlichen Pfad der Hexen ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen und wie viel Leid sie erfahren haben. Selbst die vermeintlich so abgrundtief böse Hexe Agatha (Kathryn Hahn) gewinnt dadurch an Tiefe, wobei die Serie nie aus den Augen verliert, was die Figur so sehenswert macht. Zum Glück, denn Kathryn Hahn im Arschloch-Modus zu erleben, ist ein wahres Fest (gerne mehr davon).
Vor allem eine „Agatha All Along“-Folge sticht für mich aus der insgesamt gelungenen Staffel heraus, wobei ich nicht verraten will, welche, um euer Seherlebnis nicht zu trüben. Diese eine Episode ist hinsichtlich ihres narrativen Kniffs und der gekonnten Umsetzung derart gelungen, dass sie für mich über 2024 hinaus eines der größten MCU-Highlights überhaupt darstellt; die Chancen stehen also ausgezeichnet, dass ihr direkt wisst, welche Folge es mir derart angetan hat. Zur Not könnt ihr hier bei IMDb nachschauen, denn es ist die bestbewertete Episode der Serie; offenbar sind sich die Marvel-Fans und ich uns hier im Gegensatz zu „Deadpool & Wolverine“ einig.
Selbst zum Ende hin (es folgen keine Spoiler, keine Sorge) tappt „Agatha All Along“ zum Glück nicht in die Falle wie etliche andere MCU-Titel (unter anderem sogar „WandaVision“), auch wenn es kurz den Anschein hatte. Stattdessen schlägt die Serie einen ganz eigenen, für sie passenden Ton an. Trotz all der Lobhudelei muss ich anmerken, dass die Serie in meinen Augen dennoch kein alles veränderndes Meisterwerk ist, aber das erwarte ich von einem MCU-Titel auch nicht. Ein rundum spaßiges Erlebnis, das mich mit den Charakteren mitfühlen lässt, reicht mir hier allemal. Ich würde also kein Geld darauf verwetten, dass „Agatha All Along“ in meinen drei Top-Serien des Jahres landet. Aber alleine dass sie eine realistische Chance hat, ist angesichts der letzten Jahre im MCU keine Selbstverständlichkeit und verdient ein ausdrückliches Lob.
Eileen: Hexen als unverhoffte Retterinnen des MCU? Ich liebe es!
Wie bei vielen einst so passionierten Marvel-Fans hat mein Interesse am MCU in den vergangenen Jahren stark abgenommen. Natürlich gab es Ausnahmen, wie etwa „Spider-Man: No Way Home“ und „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ bei den Filmen und „WandaVision“ bei den Serien. Doch die meisten nach „Avengers: Endgame“ produzierten Werke konnten mich nicht mehr begeistern und sie haben mich schlichtweg einfach nicht interessiert. Daher erwartete ich von „Agatha All Along“ nicht viel, denn auch ich stellte mir die Frage: Muss man wirklich jedem (Neben-)Charakter ein eigenes Werk widmen? Die Antwort lautete „Nein“, aber…
Agatha war, insbesondere aufgrund der grandiosen Darstellung von Kathryn Hahn, für mich sowie für zahlreiche andere Marvel-Fans eines der Highlights von „WandaVision“. Daher verspürte ich doch einen Funken Neugierde, als ich die erste Folge von „Agatha All Along“ startete. Meine Skepsis löste sich im Nu auf und spätestens zum Ende der zweiten Folge stellte ich fest, dass die Serie doch einiges zu bieten hat – und das Beste – mit Hexen!
Ich schloss jede neue Hexe in mein Herz, von Lilia (ich LIEBE Patti LuPone) über Alice (Ali Ahn) zu Teen alias [Spoiler], gespielt von Joe Locke, über den ich mich freute, ihn erstmals außerhalb von „Heartstopper“ zu sehen. Dadurch, dass die Serie uns Agathas Hintergründe näher bringt, schloss ich sie sogar noch mehr als zuvor in mein Herz und ich wage zu behaupten, dass sie spätestens jetzt zu meinen Lieblingscharakteren im MCU zählt. Dank gebührt hier auch ihrer elektrisierenden Bildschirm-Chemie mit Rio (Aubrey Plaza), auf die ich an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingehen werde.
Es braucht nicht viel, besonders keine unnötigen und überhäuften Spezialeffekte, um mich – und wie man an vielen Online-Reaktionen erkennt, auch andere Marvel-Fans – zufriedenzustellen. Hahn und die anderen Mitglieder der Besetzung versprachen nicht zu viel, als sie behaupteten, dass das Set magisch sei: Die praktischen Sets, Effekte und das Make-up wirkten auf mich um Längen eindrucksvoller als eine von computergenerierten Superheld*innen-Megaschlachten. Dies in Kombination mit den vielschichtigen Charakteren und einem großartigen Skript, das mich sowohl zum Lachen als auch zum Mitfiebern und -fühlen brachte, beweist, dass weniger wirklich manchmal mehr ist. Und wie auch in „WandaVision“ schenkte uns „Agatha All Along“ einen grandiosen, süchtigmachenden Song mit „Ballad of the Witches‘ Road“, der das Gesamterlebnis perfekt abrundete (es sollte mich lieber niemand fragen, wie oft ich das Lied mittlerweile gehört habe).
Ich hatte das Glück, mit Kathryn Hahn, Patti LuPone und Aubrey Plaza zu sprechen und im Interview merkte ich, wie sehr sie mit Herzblut dabei waren und wie viel Spaß sie am Set hatten, besonders Kathryn, die mir unglaublich sympathisch und charmant vorkam. Diese Leidenschaft und Freude an ihrem Handwerk spürt man in jeder Episode und macht „Agatha All Along“ zu einem echten Highlight des Jahres. Ja, es ist kein alles veränderndes Meisterwerk und ich stimme meinem Kollegen Andi auch in jeder Hinsicht zu, aber bei mir hat „Agatha All Along“ einen Platz in den Top 3 meiner diesjährigen Serien-Highlights sicher. Die Serie war ein magisches Highlight passend zu meiner Lieblingsjahreszeit Herbst und ich „fürchte“ mich schon vor der Leere, die ich am heutigen Donnerstag verspüren werde. Ich hoffe inständig, dass Marvel eine Lektion aus dem Erfolg von „Agatha All Along“ lernt und mich in Zukunft womöglich wieder mehr von dieser aktuellen und vermissten Leidenschaft spüren lässt, die ich einst für das MCU hatte.