Netflix landete mit „Rentierbaby“ einen Hit. Die Besonderheit liegt im Wahrheitsgehalt und wir zeigen euch, wie realitätsnah die Geschichte wirklich ist.
Stalker*innen-Geschichten sind ein beliebtes Filmnarrativ und „Rentierbaby“ ist ein ganz besonderer Fall. Das fanden nicht nur die Netflix-Abonnent*innen, sondern auch die Emmy-Award-Jury. Die britische Comedy-Serie räumte bei den diesjährigen Emmys gleich vier Awards ab. Die gefeierte Geschichte basiert auf realen Ereignissen, durchlebt von Richard Gadd und seiner Stalkerin, die sich auch bereits zu Wort meldete. Eine wahre Begebenheit, die es von einem preisgekrönten Ein-Mann-Theaterstück inzwischen als Serie zu Netflix geschafft hat. Erfahrt hier, was auf wahren Begebenheiten beruht und welche Widersprüche es zu geben scheint.
Darum geht es in „Rentierbaby“
Bevor wir zu den Fakten kommen, erklären wir euch kurz, worum es in der Serie geht. Der Barkeeper und Stand-up-Komiker Donny Dunn (Richard Gadd) begegnet Martha (Jessica Gunning) in der Bar, in der er arbeitet. Martha beginnt zunehmend präsent in Donnys Leben zu sein und ein beklemmendes Gefühl von ungewollter Nähe beginnt sich auszubreiten und wird über mehrere Jahre sein Leben bestimmen. Was als harmlose Konversation beginnt, endet in einer düsteren Stalking-Geschichte.
Ihr habt „Rentierbaby“ durchgeschaut und wollt noch mehr davon? Dann haben wir den passenden Stoff für euch:
Die wahre Geschichte hinter „Rentierbaby“ aus der Sicht von Richard Gadd
– Achtung: Es folgen Spoiler zu „Rentierbaby“–
Donny Dunn wird von Richard Gadd verkörpert. Richard Gadd ist nicht irgendein Schauspieler, der in die Rolle des Stalking-Opfers schlüpft. Richard Gadd ist der „echte“ Donny Dunn. Mit der Rolle verarbeitet er so die traumatischen Ereignisse, die sein Leben über Jahre hinweg bestimmten. Wie Forbes berichtete, habe Gadd nach viereinhalb Jahren 41.071 E-Mails, 744 Tweets, 46 Facebook-Nachrichten, Briefe mit insgesamt 106 Seiten, Geschenke, Unterwäsche, Schlaftabletten und 350 Stunden Nachrichten auf dem Anrufbeantworter von seiner Stalkerin erhalten. Das Rentierbaby sei übrigens auch ein Geschenk gewesen und ist titelgebend für die Serie. Die Person habe vor seinem Haus gewartet und erschien bei Richards Comedy-Shows. Ähnlich wie in der Serie dargestellt, sei es für Richard nicht einfach gewesen, sich Gehör bei der Polizei zu verschaffen. In The Guardien machte er seinem Unverständnis über die polizeilichen Maßnahmen Luft, indem er berichtete, wie schwierig und ausweglos die gesetzlichen Möglichkeiten für gestalkte Menschen seien. Unter anderem äußerte er in dem Interview:
„Ich wurde beschimpft, weil ich die Polizei wegen Belästigung belästigt hatte.“
Die Täterin Martha, wie sie in der Serie heißt, hat in der Realität einen anderen Namen. Diesen gab Richard Gadd jedoch nicht bekannt. In der Serie wurde Martha verurteilt. Im realen Leben jedoch nicht. Der Schauspieler und Komiker äußerte im Interview mit GQ, er habe sich bei der Story immer nah an der Realität orientiert. Bei Martha habe es jedoch Anpassungen gegeben, sodass sie sich selbst nicht erkennen würde. Dieser Versuch ging wohl jedoch nach hinten los.
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„Rentierbaby“ aus der Sicht der Beschuldigten: Die scheinbar echte „Martha“ fordert Schadensersatz
Auch wenn der Hauptdarsteller versuchte, die wahre Identität von „Martha“ geheim zu halten, meldete sich die angeblich echte Beschuldigte zu Wort. In „Piers Morgan Uncensored“ dementierte Fiona Harvey die Anschuldigungen, die gegen sie in der Serie erhoben werden, auch wenn sie die Serie nie gesehen habe, wie sie erklärt.
Als „frauenfeindlich“, „obszön“ und „schrecklich“ bezeichnet sie die Produktion. Sie wäre weder bei Gadds Haus gewesen, noch habe sie ihm die schiere Anzahl an Textnachrichten geschickt, wie es der Schauspieler und Komiker behauptet. Harvey habe ihm unter anderem lediglich einen Brief geschrieben, nur einige E-Mails an ihn gesendet und ihm nie eine SMS oder Facebook-Nachricht geschickt, so die scheinbar Beschuldigte. Wie People berichtet, habe Harvey nun ihren Worten Taten folgen lassen und eine Klage gegen Netflix und Gadd eingereicht, da die Serie ihre Identität nicht genug verschleiert habe und das erhebliche Konsequenzen für sie zur Folge hätte. Ganze 170 Millionen US-Dollar fordere Harvey – 50 Millionen solle der Streamingdienst allein wegen Verleumdung zahlen. Für den Verlust an Lebensqualität und für „seelische Qualen“ würde noch mal die gleiche Summe als Entschädigung fällig. Von den Gewinnen der Show wolle sie ebenso 50 Millionen US-Dollar Beteiligung einklagen. Last, but not least: Als Strafschadenersatz würden noch mal 20 Millionen von der Klägerin gefordert.
Nicht nur die „echte“ Martha wurde scheinbar aufgespürt und erhielt Morddrohungen, auch anderen Personen passierte Ähnliches. Gadd versuchte bereits, der Hetzjagd Einhalt zu gebieten. Über Instagram meldete er sich zu Wort und appellierte an die Personen, mit den Spekulationen aufzuhören, denn das wäre nicht der Sinn der Show gewesen.
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Rentierbaby“: Darum weicht die Serie von herkömmlichen Stalking-Geschichten ab
Diese Miniserie ist in einigen Punkten anders als die gängigen Stalking-Narrative. Zum einen haben wir nicht nur umgekehrte Geschlechterrollen im Opfer-Täter*innen-Verhältnis als in den meisten Filmen und Serien. Wir haben hier einen Mann, der Opfer von weiblichem Stalking ist. Und zum anderen ist auch die beklemmende Geschichte mit humoristisch wirkenden Elementen gespickt und lässt das Drama auf skurrile Art und Weise weniger düster wirken. Wir haben auch mit dem männlichen Protagonisten eine Person, die nicht dem typischen Opferprofil entspricht. Nach der Verurteilung von Martha zum Beispiel kann Donny noch nicht loslassen. Im Gegenteil, er versucht, sie zu verstehen und scheint eine Art Abhängigkeit entwickelt zu haben, weswegen er sich weiterhin die Voice-Nachrichten von ihr anhört, wie eine Art Podcast. Eine Erklärung von Gadd könnte Aufschluss darüber geben. In einem Gespräch mit The Guardien wurde deutlich, dass Gadd ‘Martha‘ weniger als Täterin, sondern als Opfer ihrer Selbst sehe. Sie benötige Hilfe, bekommt sie aber nicht. Diese Instabilität, so Gadd, habe sich dann am Telefon niedergeschlagen. Wir haben mit der britischen Produktion eine nuancierte Serie, in der wir Personen nicht so leicht in eindeutige Kategorien stecken können.
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