Fans hofften darauf, mit „Berlin“ einen gelungenen „Haus des Geldes“-Ableger spendiert zu bekommen – und wurden bitter enttäuscht. Nun will Netflix diesen Fehlschlag auch noch wiederholen.
Dank Netflix avancierte die eigentlich schon gescheiterte Heist-Serie „Haus des Geldes“ zu einem globalen Phänomen, das seinesgleichen sucht. Mit „Berlin“ erwartete uns Ende 2023 schließlich das erste Spin-off, das sich als Prequel einer der wohl spannendsten Figuren widmet. Doch von der anfänglichen Faszination ist nicht mehr viel übrig geblieben. Auf Bewertungsportalen wie Rotten Tomatoes ging der Ableger gnadenlos unter. Trotzdem will Netflix mit „Berlin“ Staffel 2 einen weiteren Coup landen.
Dieser Artikel spiegelt die Meinung der Autorin wider und nicht zwangsweise die aller kino.de-Redakteur*innen.
Mit dem offiziellen Trailer könnt ihr euch einen ersten Eindruck verschaffen:
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Ursprünglich feierte „Haus des Geldes“ (Originaltitel „La casa de papel“) beim spanischen TV-Sender Antena 3 Premiere, fand beim Publikum aber nicht den erhofften Anklang. Allerdings erkannte Netflix das Potenzial der Serie, schnitt das Material noch einmal neu und brachte schließlich einen der beliebtesten Bankraubtitel aller Zeiten auf die Bildschirme. Die Geschichte aus der Feder von Álex Pina erfreute sich bei dem Streamingdienst so großer Beliebtheit, dass sie trotz gelungenem Abschluss prompt auf insgesamt fünf Staffeln erweitert wurde – plus einer Neuauflage aus Korea.
„Haus des Geldes“: Eine einzigartige Erfolgsgeschichte geht zugrunde
Jedoch kamen schon Staffel 4 und 5 von „Haus des Geldes“ beim Publikum nicht mehr ganz so gut an. Kein Wunder: Eigentlich hatte Pina der Serie einen gelungenen Abschluss verpasst, der nun schlichtweg über Bord geworfen wurde. Böse Zungen behaupteten gar, Netflix würde die Serie künstlich verlängern, um vom Erfolg zu profitieren.
Auch ich bin kein großer Fan vom neuen Serienfinale. Das alte bot für mich alles, was es braucht, um in die Geschichte der erfolgreichsten Heist-Titel einzugehen. Mit Staffel 4 und 5 hat sich Netflix diese Trophäe in meinen Augen wieder selbst entrissen. Entsprechend skeptisch blickte ich auf das neue Spin-off „Berlin“. Allerdings wich die Skepsis mit dem näher rückenden Starttermin dann doch einer gesunden Portion Vorfreude. Immerhin handelt es sich hierbei um ein Prequel, also die Vorgeschichte von „Haus des Geldes“. Da kann man doch eigentlich nicht so viel falsch machen, oder? Doch, leider schon.
Liebe oder Geld? Netflix trifft eindeutige Entscheidung
Da sich der Ableger mit Berlín (Pedro Alonso) auf den für mich (und viele andere Fans) faszinierendsten Charakter fokussiert, glaubte ich fälschlicherweise, dem Spin-off sei die perfekte Geschichte eigentlich beinahe schon in die Wiege gelegt. Tja, falsch gedacht. Statt die Möglichkeit zu nutzen, uns tiefere Einblicke in das geniale Gehirn von Andrés de Fonollosa zu gewähren, rückt der Überfall auf das Auktionshaus sogar in den Hintergrund.
Stattdessen drängt sich nicht nur eine Liebesgeschichte ins Rampenlicht, sondern gleich vier. Gut, dass Berlín als chauvinistischer „Romantiker“ nicht umhinkommt, sein Herz ausgerechnet an die Frau des Auktionshauseigentümers zu verlieren, wirkt sogar irgendwie realistisch und halbwegs erfrischend. Aber wieso müssen auch alle übrigen Mitglieder der Gruppe miteinander (oder mit anderen Nebenfiguren) anbandeln?
„Berlin“ kopiert nur das Original – Netflix ahmt sich selbst nach
Für mich wirkte es beinahe so, als wolle Netflix Damián (Tristán Ulloa), Cameron (Begoña Vargas), Roi (Julio Peña) Keila (Michelle Jenner) und Bruce (Joel Sánchez) damit in die Fußstapfen von Rio (Miguel Herrán) und Tokio (Úrsula Corberó) treten lassen. Und an diese ganz besondere Liebesgeschichte wird einfach nichts und niemand im „Haus des Geldes“-Universum heranreichen können. Selbst dann nicht, wenn – wie im Falle von Keila und Bruce – ein ähnlicher Altersunterschied vorliegt und eine von beiden Personen IT-Expertise besitzt und durch schüchternes Auftreten heraussticht, während die andere impulsiv und leidenschaftlich agiert.
Bei so viel Ähnlichkeit fühle ich mich eigentlich sogar eher für dumm verkauft. Von Folge zu Folge festigt sich in mir der Eindruck, als habe Netflix bei „Berlin“ vor allem nach einem Leitsatz gearbeitet: Was einmal klappt, funktioniert auch ein weiteres Mal. Das zeigt sich nicht nur in den Liebeleien der Haupt- und Nebencharaktere, sondern leider ebenso im Raub.
Wenn es dann doch mal ein paar Minuten um den Überfall geht, fehlt es der Serie schlichtweg an Innovation und neuen Ideen. Abermals bekommen wir zu sehen, was wir schon fünf Staffeln lang in „Haus des Geldes“ auf der Mattscheibe verfolgt haben – nur eben ohne Professor (Álvaro Morte). Dafür ahmt Berlin dessen Verhalten aber nahezu perfekt nach, indem er den Plan durch seine unbändige Liebe gefährdet. Tut mir leid, Netflix. Das war dann für meinen Geschmack einfach eine Parallele zu viel.
„Berlin“ hat mich nicht überzeugt, bei den Serien im Video sieht das anders aus:
Trotz Publikumsmeinung: Netflix gibt Fortsetzung in Auftrag
Grundsätzlich ist „Berlin“ keine schlechte Serie. Wenn man darüber hinwegsehen kann, dass wir das alles eigentlich schon mal gesehen haben, kann der neue Heist-Titel sogar ganz unterhaltsam und spannend sein. Dennoch hat Álex Pina in meinen Augen zu viel Potenzial liegen lassen. Meiner Meinung nach hätte es Berlín zugestanden, mehr von sich, seiner Gefühlswelt und seinem genialen Geist preisgeben zu dürfen. Das Spin-off wird seinem Charakter aber schlicht und ergreifend nicht gerecht. Und mit dieser Meinung bin ich nicht allein.
Die Publikumsbewertungen sprechen Bände: Während „Haus des Geldes“ bei der IMDb starke 8,2 von zehn möglichen Sternen vorweisen kann, kommt „Berlin“ nur auf 7,0. Auf der Bewertungsplattform Rotten Tomatoes fällt das Urteil sogar noch deutlicher aus. Die Kritiker*innen belohnten das Original mit stattlichen 94 Prozent positiver Rückmeldungen, beim Publikum schnitt „Haus des Geldes“ mit 81 Prozent ebenfalls gut ab. „Berlin“ hat hingegen nur 62 Prozent des Publikums und 57 Prozent der Kritiker*innen überzeugen können.
Das hindert Netflix aber nicht daran, dem Spin-off eine zweite Staffel zu spendieren. Wie The Hollywood Reporter berichtet, sei „Berlin“ in der Start-Woche weltweit die meistgesehene Serie gewesen und habe sich in 91 Ländern einen Platz in den Netflix-Top-10 ergattert. Innerhalb von sieben Wochen soll die Serie 348 Millionen Stunden gestreamt worden sein. Das bringt dem Heist-Titel Platz 9 im Ranking der meistgesehenen nicht-englischsprachigen Serien in der Netflix-Geschichte ein.
Für den Streamingdienst ist das wohl Grund genug, Staffel 2 anzugehen, um diesen Erfolg womöglich ein weiteres Mal zu wiederholen. Tatsächlich wiederholt Netflix damit aber eigentlich nur den Fehler, der schon bei „Haus des Geldes“ für erhitzte Fan-Gemüter sorgte. Es scheint beinahe, als sei Netflix vor lauter Dollar-Zeichen in den Augen blind für die Meinung des Publikums geworden. Bleibt nur zu hoffen, dass der Streamingdienst zumindest aus den Kritiken und dem Feedback der Fans lernt und in der Fortsetzung auf mehr Innovation setzt…
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