Die zweite Staffel von „Dark“, des ersten deutschen Netflix-Originals, ist am 21. Juni 2019 bei Netflix im Stream online gegangen. Wir haben bereits die ersten vier Folgen vorab gesehen und haben genauer hingeschaut. Welche Hinweise, Anspielungen und Easter Eggs auf die Popkultur, Autoren oder reale Tragödien verstecken sich in den neuen Folgen? Welche Lehren lassen sich für die Charaktere wie Jonas, Martha und Charlotte ziehen? Warum ist hier sogar eine Gemeinsamkeit mit „Harry Potter“ und „How I Met Your Mother“ auszumachen? Nach dem ersten Ausstrahlungswochenende wird diese Liste erweitert.
Achtung, Spoiler: Wollt ihr euch nicht mit Zusatz-Informationen zudecken, bevor ihr die Folgen gesehen habt, solltet ihr erst bei Netflix einschalten und dann zurückkehren.
Das Nietzsche-Zitat zu Beginn
„Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900) schrieb in seinem Spätwerk „Jenseits von Gut und Böse“ diese Worte. Das Zitat wird jedoch entscheidend ergänzt, von dem vorherigen Satz: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.“ Angewandt auf „Dark“ findet man gleich mehrere Kandidaten, auf denen dieses Credo hinweist. Jonas versucht mit aller Macht die Apokalypse abzuwenden, nur um später selbst Doppelmoral anzuwenden. Aber auch die anderen Reisenden wie Claudia, Noah und Agnes sind von zwielichtigen Aussagen geprägt, deren genaue Motive man nicht exakt deuten kann.
Der 21. Juni
Erneut beginnt die Staffel an einem 21. Juni, der längste Tag des Jahres und zugleich die Sommersonnenwende. Während wir uns in Staffel 1 im Jahr 2019 befinden und sahen, wie sich Michael erhängt hat, werden wir in Staffel 2 Zeuge, wie ein junger Noah seinen Kameraden zu Tode schlägt. Hier schreiben wir das Jahr 1921. Auf der ganzen Welt wird die Sommersonnenwende von Festen begleitet, die auch an Orten mit mythologischer Bedeutung wie Stonehenge gefeiert wird.
Sic Mundus Creatus Est und die Tabula Smaragdina
Schon in der ersten Staffel war die Tabula Samaragdina ein wiederkehrendes Element um die Rätsel von Noah und „Dark“ zu enthüllen. In der zweiten Staffel erfährt man nach vier Episoden zwar noch nicht die endgültigen Hintergründe der Sic-Mundus-Creatus-Est-Gruppe von Adam, man sieht jedoch erneut das Symbol der Tabula Samargdina. Der Widersacher des jungen Noah trägt das Tattoo auf seiner Brust. Der junge Jonas betrachtet es im Jahr 1921 im Wirtshaus, genauso wie Mikkel einst im Jahr 1986 im Krankenhaus darauf geschaut hatte. Auch die Anhänger der erwachsenen Elisabeth im Jahr 2053 hoffen auf das Paradies nach dem Leben.
Chernobyl & Fukushima
Die Nachwehen des Super-GAUs aus dem Jahre 1986 spürt man bis heute. Bereits in der ersten Episode wird kurze Zeit nacheinander indirekt auf die Ereignisse aus dem Jahr 1986 in der heutigen Ukraine angespielt. Zum einen soll das AKW in Winden am 27. Juni 2020 geschlossen werden, doch die sachgemäße Lagerung kann nicht garantiert werden. Hier lässt Aleksander Tiedemann den jüngsten Unfall in Fukushima 2011 nicht unerwähnt. Wie wir aus der Zukunft im Jahr 2053 wissen, wird das Atomkraftwerk zerstört werden. Des Weiteren erinnert der erwachsene Jonas seine Mutter bei ihrem Zusammentreffen an ihr „Treffen“ im Jahr 1986. Damals hatte der junge Jonas seine gelbe Regenjacke an als er durch den Regen stolperte. Die junge Hannah gab ihm den Hinweis, dass der Regen sauer sei „wegen Chernobyl“. Wer sich über „Chernobyl“ informieren möchte, sollte sich die HBO/Sky-Serie zu Herzen nehmen.
Der Roboter aus „How I Met Your Mother“
Wem ist er aufgefallen? Der Roboter, der in Mikkels Kinderzimmer im Jahr 1986 steht, ist von derselben Bauart, den man bei „How I Met Your Mother“ in den Musikvideos von Robin Sparkles sehen konnte. Dahinter verbirgt sich ein batteriebetriebener Tomy Omnibot 2000 mit Kassettenspielerfunktion und einem kontrollierbaren Arm. In den 1980er Jahren war der Spielzeugroboter in der Tat der Hit in den Kinderzimmern.
„Gespenster“ von Henrik Ibsen
Als Claudia zu spät zum Unterricht im Jahr 1987 nach einem Buch sucht, sucht sie nach „Gespenster“ von Henrik Ibsen aus dem Jahr 1881. Das Stück wurde bereits häufig für die Bühne adaptiert und war nach seiner Veröffentlichung stark umstritten, ob der starken Gesellschaftskritik. Das Kammerspiel beleuchtet das erweiterte Familiengefüge von der Witwe Helene Alving und ihrem Sohn Osvald. Wenn man das Stück nach den Lehren der naturalistischen Determinationslehre interpretiert, sei der Mensch nicht frei von seinem Handeln, sondern würde stets von drei Faktoren geprägt: der Vererbung, dem Milieu und der Erziehung.
Das Bootstrap-Paradox
Die beste Erklärung, was sich hinter dem Bootstrap-Paradox verbirgt, gab H.G. Tannhaus selbst zu Protokoll: „In einem Bootstrap-Paradox wird ein Gegenstand oder eine Information aus der Zukunft in die Vergangenheit geschickt. Dadurch entsteht ein unendlicher Kreislauf, in welchem der Gegenstand keinen wirklichen Ursprung mehr hat. Er existiert, ohne je erschaffen worden zu sein.“ Das wohl ansehnlichste Beispiel aus der Popkultur findet sich ausgerechnet in der „Harry Potter“-Reihe wieder. In „Der Gefangene von Askaban“ gelang es Harry nur, den Patronus-Zauber perfekt auszuüben, als er durch die Zeit gereist ist und sich plötzlich im Klaren war, dass nicht etwa sein Vater ihn vor den Dementoren retten konnte, sondern er es selbst gemacht hat.
Die Bibel-Stelle für Helge
„Du bist mein Schutz, mein Schild. Ich hoffe auf dein Wort.“ Das Bibel-Zitat das vom jungen Helge vorgetragen wird, ist der Psalm 119,114 und wird dort von König David rezitiert. Die simple Herleitung deutet auf das Vertrauen in Gott, der als Schutz und Schild über einen wacht. Der junge Helge ist nach der Tortur durch Ulrich für sein Leben gezeichnet. Einzig das (falsche?) Vertrauen in Noah (und Gott) wird für ihn zum Ankerpunkt im Leben.