Der Auftritt Annatars in Staffel 2 von „Die Ringe der Macht“ sorgte im Vorfeld für reichlich Spott von Fanseite. Doch die befürchtete Katastrophe blieb zum Glück aus.
– Achtung: Es folgen Spoiler zu Staffel 2, Folge 3 von „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“! –
„Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ sorgte in der ersten Staffel für reichlich Irritation bei etlichen Mittelerde-Fans. Dazu gehörte auch die gefühlt unnötige Änderung an der Ausgangsgeschichte: Eigentlich wurden die drei Elbenringe als letzte, ohne die Einwirkung Saurons geschmiedet. In der Amazon-Serie waren die drei Ringe für die Elben jedoch die ersten und Sauron, der sich hier noch als Halbrand (Charlie Vickers) tarnte, hatte dabei seine Finger entscheidend im Spiel.
Im Original hatte sich Sauron eigentlich als Annatar, Herr der Geschenke, ausgegeben, um zunächst die 16 anderen Ringe – neun für die Menschen, sieben für die Zwerge – mit den Elben zu schmieden. Nach der Änderung der Abläufe in der Serie und der Erfindung von Halbrand als Alter Ego für Sauron gingen wohl etliche davon aus, dass damit auch die Annatar-Geschichte passé sei. Schließlich könnte sich der elbische Meisterschmied Celebrimbor (Charles Edwards) doch nicht zweimal von Sauron mit demselben Trick täuschen lassen, oder?
Entsprechend ungläubig reagierten so manche, als durch Poster und Trailer ersichtlich wurde, dass Annatar doch eine Rolle in Staffel 2 von „Die Ringe der Macht“ spielen wird. Aber nicht nur das: Dass diese Form von Sauron erneut von Charlie Vickers gespielt wird, brachte der Amazon-Serie im Vorfeld einiges an hämischem Spott von Fanseite ein. Denn als Annatar hatte dieser nun lange Haare und Spitze Ohren wie ein Elb, was Fans als Zeichen deuteten, dass er sich vor Celebrimbor praktisch nur mit einer Perücke ausgestattet als jemand anders ausgeben wird, obwohl eindeutig ist, dass es sich um dieselbe Person wie Halbrand handelt.
Warum der Auftakt von „Die Ringe der Macht“ Staffel 2 Hoffnung macht, verrät euch unser Video:
Sauron nutzt Celebrimbors große Schwäche aus
Es schien sich hier ein regelrechtes narratives Fiasko anzubahnen – das jedoch zum Glück ausblieb. Denn den „Die Ringe der Macht“-Verantwortlichen gelang es auf durchaus clevere Art, die Annatar-Geschichte wieder in die Handlung zu integrieren. Zwar hatte Celebrimbor die Warnung von Galadriel (Morfydd Clark) erhalten, nicht mehr mit Halbrand zu verkehren, doch Sauron nutzte dies sogar zu seinem Vorteil: Er ließ es scheinen, als wollten Galadriel und König Gil-Galad (Benjamin Walker) den Erfolg der Ringe für sich beanspruchen; schließlich hatte Celebrimbor gar keine Nachricht mehr von ihnen erhalten, da Sauron die gesandten Botschafter*innen getötet hatte, die den Schmied von Halbrands wahrer Identität informieren sollten.
In der Folge nutzte Sauron auf gerissene Art den Stolz von Celebrimbor gegen ihn, denn der verfiel dem Glauben, man wolle ihn um das Lob für seine meisterhafte Arbeit betrügen und seine Beteiligung am Schmieden der Ringe totschweigen; dabei stellte er klar, dass er sich nach Anerkennung für sein Schaffen sehnt. Mit derselben Finte konnte Sauron Celebrimbor auch überzeugen, weitere Ringe zu schmieden: Er log, dass die Elben diese mächtigen Artefakte nicht in die Hände von Menschen und Zwerge fallen lassen wollen, gerade weil sie funktionieren, wodurch er Celebrimbor erneut bei seiner Berufsehre packte.
All dies wurde mit der Annatar-Enthüllung clever befeuert. Denn Halbrand gab sich vor Celebrimbor als Gesandter der Valar – die mächtigsten Geistwesen, praktisch die Gottheiten dieser Welt – aus; was auch durchaus stimmt, immerhin ist Sauron einer der Maiar und damit ein nicht ganz so mächtiges Geistwesen, das geschaffen wurde, um den Valar zu dienen. Dass er in Wahrheit jedoch auf eigene Faust agiert und Böses im Sinn hat, verriet Halbrand genau wie seinen wahren Namen natürlich nicht. Damit packte er den Schmied erneut bei seinem Stolz, denn dieser ist nun im Glauben, im Dienst der Valar zu stehen und Gutes zu tun, also quasi selbst auserwählt zu sein. Halbrand nahm anschließend eine neue Form an, was für Sauron als Gestaltwandler ein Leichtes ist, wodurch Celebrimbor davon überzeugt wurde, es mit einem Gesandten der Valar zu tun zu haben und zudem vermutlich auch glaubt, jetzt die wahre Form Annatars vor sich zu sehen.
So reagieren die Fans auf die Annatar-Enthüllung
Über einen Umweg gelangte „Die Ringe der Macht“ also doch noch zur Geschichte Annatars. Ob dafür die eigens erfundene Sauron-Identität von Halbrand nötig war und der Ablauf der Entstehung der Ringe der Macht geändert werden musste, darf jeder Fan für sich selbst entscheiden. Es gibt jedoch selbst im deutlich kritischeren „The Lord of the Rings“-Subreddit einige, die zumindest mit der Abwicklung der Annatar-Enthüllung zufrieden sind:
„Das rechtfertigt vollkommen die Entscheidung, mit Sauron als Halbrand anzufangen, finde ich.
Ich kenne diesen Kerl tatsächlich, habe Zeit mit ihm verbracht, wurde persönlich von ihm getäuscht und jetzt darf ich zusehen, wie alle anderen an seinen Marionettenfäden tanzen.“
„Ich bin verwirrt, wie viele Leute ein Problem damit hatten, dass Sauron in S1 NICHT als Annatar nach Eregion kam und trotzdem ein Problem damit haben, wie es in dieser Folge gemacht wurde.
Sie haben es geschafft, genau diesen Handlungsstrang in S2 wieder einzuführen und jetzt folgt sie enger der Geschichte von Tolkien, wo ist also das Problem?“
Andere fühlen sich jedoch in ihrer Kritik bestärkt, dass man genau diesen Ansatz schon in Staffel 1 hätte verfolgen sollen:
„Das ist wirklich frustrierend. Vickers und Edwards zu sehen, zeigt, dass sie die Annatar-Handlung in Staffel 1 getreu hätten adaptieren können, anstatt den Halbrand-Bogen zu schlagen.
Jetzt MUSS nicht nur Celebrimbor lächerlich leicht auf Halbrand hereinfallen, sie MÜSSEN auch sofort mit der Herstellung der Zwergen- und Menschenringe beginnen. Es kann keinen langsamen Aufbau mehr geben, von Sauron, der Celebrimbor betrügt und sich in Eregion etabliert, über die Herstellung der kleineren Ringe bis hin zur Herstellung der großen 16, der Drei und des Einen.
Stattdessen wird es am Ende überstürzt und schmerzhaft langatmig zugleich sein.“
Ob das wirklich der Fall ist oder „Die Ringe der Macht“ erneut positiv überraschen kann, erfahren wir in den kommenden Wochen: Immer donnerstags erwartet uns eine der insgesamt acht neuen Episoden bei Prime Video.
In der Zwischenzeit könnt ihr den Test machen, welchem Volk von Mittelerde ihr angehören würdet: