Reality- und Gameshow-Formate dominieren aktuell Prime Video. Das wahre Serien-Highlight geht dabei nicht nur unter – sondern wird von Amazon selbst geradezu missachtet.
– Dieser Artikel spiegelt die Meinung des Autoren wider und nicht notwendigerweise die von kino.de. –
Wer in den letzten Wochen einen Blick auf die Prime-Video-Startseite warf, wird dort vor allem von spielerischen Reality-Shows sowie Actionfilmen begrüßt worden sein. Unter anderem „The 50“, „LOL: Last One Laughing“ und „Road House“ bestimmten nicht nur die Charts, sondern auch die Empfehlungen des Streamingdiensts. Dabei droht die meiner Meinung nach aktuell beste Prime-Serie unterzugehen, wozu Amazon selbst seinen Teil beiträgt.
Die Rede ist von „Invincible“, der Superheld*innenserie von „The Walking Dead“-Schöpfer Robert Kirkman. Deren zweite Staffel war in zwei Parts aufgeteilt worden – was bei den Fans gar nicht gut ankam – und das Staffelfinale erschien jetzt endlich am 4. April 2024 auf dem Streamingdienst. Wer also darauf gewartet hat, Staffel 2 bingen zu können, kommt nun in den Genuss… sofern man sich dessen überhaupt bewusst ist.
Denn Amazon betreibt erschreckend wenig Eigenwerbung für „Invincible“. Eine Umfrage in der kino.de-Redaktion ergab: Bei niemandem wurde der Titel in dem Slider auf der Startseite aufgeführt, wo Prime Video seine Highlights bewirbt. Etliche würden allenfalls durch die Top 10 auf „Invincible“ stoßen, wobei die Serie dort aktuell Platz 8 einnimmt und man folglich etwas weiterklicken müsste, um sie zu finden. Einigen wird der Titel immerhin noch in Kategorien wie „Action und Abenteuerserien“ oder „Superhelden“ angezeigt, allerdings teils weiter unten auf der Startseite. Die meisten stoßen auf „Invinicble“ allerdings erst wirklich, wenn sie den Serienbereich im Streamingdienst ansteuern.
Fraglich ist, wie viele auf der Suche nach interessanten neuen Titeln so weit gehen und sich nicht gleich vom Slider abholen lassen. Immerhin diejenigen, die Staffel 1 gesehen haben und auf mehr warten, dürften „Invincible“ in der individuellen „Fortsetzen“-Kategorie finden; sofern sie dafür ein Auge offen haben.
Falls ihr noch gar nicht bei der Serie reingeschaut habt, überzeugt euch vielleicht dieser Trailer:
Darum solltet ihr „Invincible“ nicht verpassen
Dass Amazon derart gleichgültig mit seinem Serienhit umgeht, ist schon erstaunlich. Staffel 2 kommt aktuell auf 100 % Zustimmung bei Kritiker*innen auf Rotten Tomatoes, von den Fans gibt es ebenfalls überzeugende 87 % an positiven Reaktionen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn die Qualität ist in den jüngsten acht Folgen weiterhin enorm hoch – sofern man vom teils etwas simplen Animationsstil absieht, über den sich die Serie immerhin durchaus gekonnt selbst in einer Episode lustig macht.
Die Animationsserie – die garantiert nichts für Kinder ist – folgt dem jungen Mark Grayson (im Original gesprochen von „The Walking Dead“-Star Steven Yeun), der zur Hälfte zur übermächtigen Alienspezies der menschlich aussehenden Viltrumiten gehört. Dadurch verfügt er selbst über Superkräfte und versucht, unter dem Namen Invincible für Gerechtigkeit zu sorgen. Das ist allerdings natürlich deutlich leichter gesagt, als getan – vor allem weil er seinem Superheldennamen nicht wirklich gerecht wird…
„Invincible“ besticht vor allem mit einer grandiosen Mischung aus übersprudelndem Ideenreichtum und gleichzeitiger gekonnter Charakterarbeit. So gibt es gefühlt fast schon ein Überangebot an ausgefallenen Figuren mit Superkräften, zudem ist die Serie ein buntes Sammelsurium an Genrekonventionen; was auch immer ihr bei einer Superheld*innenserie mit Sci-Fi-Einschlag erwartet, die Chancen stehen ausgezeichnet, dass „Invincible“ es hat.
Die Serie schafft es jedoch zum Glück, sich in diesem vermeintlichen Chaos nicht zu verlieren. Das gelingt durch die zahlreichen ruhigen Momente, die „Invincible“ uns und vor allem seinen Charakteren gewährt. All die äußerst brutalen Kämpfe, persönlichen Schicksalsschläge gehen an Mark und Co. nicht spurlos vorbei, was die Serie trotz all der verrückten Ereignisse erdet und uns eine Bindung zu den Charakteren aufbauen lässt. Dabei hilft auch, dass zumindest im Original (die deutsche Synchronfassung kann ich nicht beurteilen), die Sprecher*innen um Steven Yeun, Sandra Oh, J. K. Simmons und Gillian Jacobs allesamt einen fantastischen Job machen, denn gerade in den emotionalsten Momenten rechtfertigen sie ihre Besetzung.
Wie sehr mich der Titel überzeugt hat, wird alleine daran ersichtlich, dass ich nicht auf Staffel 3 von „Invincible“ warten will, um zu erfahren, wie es weitergeht. Ich habe deswegen jüngst das erste Compendium der Comic-Vorlage bestellt, was ihr mir hier bei Amazon nachtun könnt. Um euch die Wartezeit bis zu den neuen Folgen zu verkürzen, könnt ihr alternativ auf Prime Video das ebenfalls empfehlenswerte Special zu Atom Eve ansehen, das ihre Hintergrundgeschichte beleuchtet.
Ihr kennt euch nicht nur bei Marvel und DC aus? Beweist es in unserem Superheld*innen-Quiz: