Neuauflagen großer Meisterwerke sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits können sie ein Millionenpublikum anlocken, andererseits ist der Vergleich zum Original oftmals ein Todesurteil. Besonders hoch ist die Hürde an diesem Freitag bei der ARD, die sich tatsächlich traut, den Kult-Klassiker „Liebling Kreuzberg“ fortzusetzen.
Mit der Serie „Auf Achse“ konnte sich der DEFA-Star Manfred Krug nach seiner Übersiedlung aus der DDR 1977 direkt in die Herzen des Publikums der BRD spielen, seine Paraderolle als eigenwilliger Rechtsanwalt Robert Liebling folgte aber erst neun Jahre später. Unter anderem ausgezeichnet mit dem Grimme-Preis in Gold war das Zeitdokument aus der zunächst geteilten, später wiedervereinten Stadt Berlin ein Straßenfeger, der mit seiner einzigartigen Mischung aus Witz, schelmischer Juristerei und ruppiger Herzlichkeit bis in die späten 1990er-Jahre Millionen von Menschen unterhielt.
25 Jahre nach dem Ende der Serie dreht die ARD nun eine späte Fortsetzung ihres Dauerbrenners in Form eines Fernsehfilms. Darin schlüpft die Enkeltochter von Robert Liebling in die Fußstapfen ihres Großvaters und muss sich ähnlich wie ihr legendärer Vorgänger die Praxis mit einer strebsamen Juristin teilen, die ihren Beruf weitaus weniger locker angeht als sie selbst. Wieder mit an Bord ist Sekretärin Senta, erneut verkörpert von Anja Franke, sowie ihre Mutter und damit Lieblings Tochter Sarah, gespielt von Roswitha Schreiner. Die Anknüpfungspunkte sind also korrekt gesetzt, dennoch dürfte es schwer werden, den einzigartigen Charme von damals erneut aufflackern zu lassen.
Ob das heikle Vorhaben gelingt, erfahren wir am Freitag, den 27. September 2024, wenn der TV-Film „Kanzlei Liebling Kreuzberg“ um 20:15 Uhr seine Premiere in der ARD feiern wird. Im Anschluss findet ihr die Neuauflage auch im Stream in der ARD Mediathek.
Neben seiner Rolle als Robert Liebling spielte Manfred Krug an der Seite von Charles Brauer zwischen 1984 und 2001 den Hamburger „Tatort“-Kommissar Paul Stoever und war auch in dieser Rolle ein absoluter Publikumsliebling. 1993 erreichte die Episode „Stoevers Fall“ sagenhafte 15,86 Millionen Menschen und generierte einen Marktanteil von 52,8 Prozent, der bis heute nicht wieder erreicht wurde, auch nicht von den Kalauer-Königen aus Münster. Entsprechend darf der Schauspieler in folgendem Video nicht fehlen.
Das schwere Erbe von Manfred Krug und Jurek Becker
Auch wenn „Liebling Kreuzberg“ bis heute aus vielen Gründen funktioniert, so steht und fällt die Serie mit dem einzigartigen Charisma ihres Hauptdarstellers Manfred Krug und seines kongenialen Freundes Jurek Becker. Wie wichtig der Drehbuchautor, seines Zeichens hochdekorierter Schriftsteller von Romanen wie „Jakob, der Lügner“ für die Serie war, zeigt sich in der vierten Staffel, für die er als Vorlagengeber nicht zur Verfügung stand und die auch rückblickend betrachtet die schwächste ist. Seine genial geschliffenen Dialoge werden nun auch der Neuauflage fehlen, die laut ARD (via DWDL) eine „moderne Interpretation“ des klassischen Stoffs werden soll.
Im Prinzip ist das natürlich der einzig mögliche Ansatz, zumal jeder Versuch einer Kopie zum Scheitern verurteilt wäre. Dennoch bleibt die Fortsetzung ein Wagnis, schließlich ist die Serie „Liebling Kreuzberg“ auch eine Schöpfung ihrer Zeit, in der natürlich nicht alles besser war als heute, was die dauerpräsente Berliner Mauer ausreichend belegt, die aber doch eine Leichtigkeit versprühte, die heute an vielen Stellen schmerzlich vermisst wird. Eine große Aufgabe also, der sich Regisseurin Franziska M. Hoenisch und ihre Hauptdarstellerinnen Luise von Finckh und Gabriela Maria Schmeide stellen. Möge sie ihnen gelingen.
Alle Folgen der fünf Staffeln von „Liebling Kreuzberg“ könnt ihr euch bei Amazon auf DVD bestellen und immer wieder anschauen. Ihr werdet merken, es lohnt sich.
Wie gut ihr euch mit dem „Tatort“ auskennt, erfahrt ihr im Quiz.