Rampensau: Die Titelfigur der Vox-Serie ist eine Paraderolle für Jasna Fritzi Bauer als Schauspielerin, die im Polizeiauftrag noch mal zur Schule geht.
Die Titelfigur der Vox-Serie ist eine Paraderolle für Jasna Fritzi Bauer als Schauspielerin, die im Polizeiauftrag noch mal zur Schule geht.
Wenn eine darstellerische Leistung ungewöhnlich bemerkenswert und berührend ist, werden Schauspieler gern gefragt, wie viel von ihnen selbst in der Figur steckt. Bei „Rampensau“ erübrigt sich die Frage, zumindest in einer Hinsicht: Die Titelheldin ist eine dreißigjährige Schauspielerin, die wie 16 aussieht. Sie muss sich mit zweifelhaften Jobs über Wasser halten, weil ihr bloß Teenager-Rollen angeboten werden. Jasna Fritzi Bauer, Jahrgang 1989, wird diese Erfahrung oft genug selbst gemacht haben. Einer ihrer besten Filme ist „About a Girl“ (2014) über eine lebensmüde 15-Jährige. Ähnlich famos war ihre Leistung in der Tourette-Komödie „
Ein Tick anders“ (2011); da durfte sie immerhin eine 17-Jährige spielen. Die Antiheldin aus „
Axolotl Overkill“ (2017) war 16.
Die Vox-Serie „Rampensau“ dürfte Bauer daher ein grimmiges Vergnügen bereitet haben. Die eigentliche Handlung beginnt mit einem Vorsprechen in einem Theater. Shiri gibt alles, die Regisseurin (Sophie Rois) ist beeindruckt, aber sie braucht eine Erwachsene, „und du siehst aus wie zwölf.“ Die Einführung spielt nicht nur mit der Meta-Ebene, sie verdeutlicht auch ein zweites Charakteristikum der mit diversen Nachwuchspreisen ausgezeichneten Schweizerin: Sie scheint über eine unbändige Energie zu verfügen. Besonders gut ist sie, wenn ihre Figuren vor Wut platzen könnten. In solchen Momenten sind viele Schauspieler unglaubwürdig. Bauer dagegen wirkt gerade dann unangenehm authentisch, wenn Shiri richtig angepisst ist, und die zehnteilige Vox-Serie bietet ihr viele Szenen dieser Art.
Deshalb ist es auch nicht ganz so schlimm, dass Arne Nolting und Jan Martin Scharf (hier unterstützt durch Valentina Brüning) viel zu lange brauchen, bis sie endlich zur Sache kommen. „Rampensau“ basiert auf einer israelischen Vorlage, die vom Autorenduo nach eigenem Bekunden „einmal ziemlich grundsätzlich auseinandergenommen und wieder neu zusammengesetzt“ worden ist. Das Ergebnis erweckt allerdings mitunter den Eindruck, als seien am Ende ein paar Teile übrig geblieben. Dabei ist die Geschichte eigentlich ganz einfach: Die Tochter des Innensenators ist bei einem Schulfest zusammengebrochen, nachdem sie zwei Ecstasy-Pillen genommen hat. Als Shiris Freund mit einer großen Tüte dieser Drogen erwischt wird, macht Kommissar Wallmann (Peter Schneider) der Schauspielerin ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann: Sie soll sich als Schülerin ausgeben und rausfinden, wer die Pillen vertreibt; dann kommt ihr Freund wieder frei. Bis zum ersten Schultag vergehen allerdings erst mal drei Episoden mit einigen zunächst eher unnötig anmutenden Exkursen.
Ein großer Spaß ist allerdings Shiris erster Einsatz, als die Polizisten prüfen wollen, wie gut die „V-Person“ dem Druck standhält. Die Schauspielerin landet als vermeintliche Prostituierte jedoch vor der falschen Wohnungstür und läuft einem knallharten Verbrecher (David Bredin) in die Arme, der die Gunst des Augenblicks nutzen will; die Szene ist dank ihrer verblüffenden Wendungen wunderbar ausgedacht und noch besser gespielt (Regie der ersten Folgen: Dustin Loose). Ähnlich erfrischend wie die Hauptdarstellerin ist auch das visuelle Konzept der Serie: Die Bilder sind knallbunt; wenn die Ausstattung keine farbigen Akzente setzen kann, weil eine Szene in einem tristen Hausflur spielt, dann wird sie in blutrotes Licht getaucht. Der optische Kontrast etwa zu den gern in sachliches Blauschwarz getauchten Krimis des ZDF könnte kaum größer sein. In Folge vier darf Shiri dann endlich zur Schule gehen, wo sie von Mathe bis Mobbing mit den üblichen unangenehmen Begleiterscheinungen des Alltags konfrontiert wird, und auch das verkörpert Bauer mit der gleichen bemerkenswerten Spielfreude wie die Provokation des überforderten Schulleiters. tpg.