Als der „Tatort“ noch in den Kinderschuhen steckte, waren die Regeln bezüglich seiner Form und Gestaltung noch nicht so klar festgelegt wie heute, was die Verantwortlichen des WDR nutzten und einen der ungewöhnlichsten Krimis in Auftrag gaben, der je über unsere Bildschirme flimmerte. Am Dienstag könnt ihr euch das Ergebnis im Free-TV anschauen.
Natürlich werden auch heute noch regelrechte Anti-„Tatorte“ produziert, die ganz bewusst mit den üblichen Sehgewohnheiten brechen, dennoch sind die Extravaganzen ihrem Personal klar zugeordnet, denken wir etwa an die ausufernden Experimente eines Felix Murot. 1973 strahlte die ARD den damals 25. „Tatort: Tote Taube in der Beethovenstraße“ allerdings ohne jegliche Vorwarnung aus und erntete teils wütende Reaktionen aus dem Publikum („Größter Käse des Jahrhunderts“), wie der Bonner Generalanzeiger exemplarisch festgehalten hat.
Wer sich ein eigenes Bild von dem Thriller machen möchte, schaltet am Dienstag, den 25. Februar 2025 um 23.40 beim WDR ein, wenn der „Tatort: Tote Taube in der Beethovenstraße“ erneut ausgestrahlt wird. Als Belohnung wartet ein Stück TV-Geschichte, das sich in dieser Form bis heute nicht wiederholt hat. Auf wen wir uns derzeit am meisten im „Tatort“-Universum freuen, verrät euch das Video.
Damit verärgerte US-Regisseur Samuel Fuller das deutsche Publikum
Für den sechsten Einsatz des von Sieghardt Rupp verkörperten Zolloberinspektors Kressin ließ sich der WDR etwas ganz besonderes einfallen und engagierte erstmals einen Drehbuchautor und Regisseur aus Hollywood. Samuel Fuller, der sich zuvor einen Namen mit knallharten Thrillern wie dem Film noir „Polizei greift ein“ machte, war für seine eigenwilligen Inszenierungen bekannt und galt in seiner Heimat als Außenseiter. Ähnlich kompromisslos ging er auch sein überraschendes Engagement in der BRD an.
Um die Konventionen der noch jungen „Tatort“-Geschichte kümmerte er sich nicht. Vielmehr kürzte er den Auftritt von Sieghardt Rupp auf zehn Minuten und ersetzte ihn durch Westerndarsteller Glenn Corbett, der einen New Yorker Privatdetektiv spielte, der in Deutschland einem Erpresserring auf der Spur war, was viele vor den Bildschirmen irritierte. Die sprunghafte Erzählweise und der extravagante Soundtrack der avantgardistischen Band „Can“ taten ihr Übriges, um die Telefone der Verantwortlichen heiß laufen zu lassen.
Ein eigenwilliger US-Gangsterthriller mit einem hierzulande nahezu unbekannten Cast war dann doch so ziemlich das Gegenteil dessen, was das Publikum am Sonntagabend erwartete. Vielleicht wurde auch deshalb bis heute niemand mehr aus Hollywood engagiert, um in Deutschland einen „Tatort“ zu realisieren. Als spannendes Kuriosum unserer TV-Geschichte taugt eine erneute Sichtung aber allemal.