Wie an Pfingsten üblich strahlt die ARD am Sonntag keinen neuen „Tatort“ aus, sondern spart sich die Premiere für den Montagabend auf. Ob das Debüt des neuen Bremer Teams geglückt ist, erfahrt ihr in Mareks „Tatort“-Kritik zur Episode „Neugeboren“.
Welche Kommissare ermitteln im „Tatort“„Neugeboren“?
18 Jahre lang ermittelte Sabine Postel an der Seite von Oliver Mommsen an der Weser, 2019 fiel dann die letzte Klappe für Kommissarin Inga Lürsen und ihren Partner Nils Stedefreund. Damit endete ein wilder Ritt, der zwischenzeitlich gar für einen Rekord an Todesopfern im „Tatort“ sorgte. Die Bremer Krimis schielten oft auf das ganz große Spektakel und gefielen sich gern als Thriller, die mit der hanseatischen Zurückhaltung so wenig anfangen konnten wie der SV Werder mit dem Sportverein aus Hamburg.
Dass die mitunter überladenen Geschichten zumeist funktionierten, lag am überzeugenden Personal, das bei allem Radau stets für die nötige Erdung sorgte. Daran hat sich zum Glück auch nach der Wachablösung nichts geändert. Jasna Fritzi Bauer und Dar Salim brauchen nur einen erstaunlich kurzen Anlauf, um sich die Bälle so souverän und nonchalant zuzuspielen, dass man den Eindruck gewinnt, sie seien schon gemeinsam im Dienst gewesen, als Thomas Schaaf gerade seine Meistermannschaft formierte.
Das Trio komplettiert Luise Wolfram, die als exzentrische BKA-Ermittlerin Linda Selb bereits Nils Stedefreund den Kopf verdrehen durfte und damit die einzige ist, die aus dem alten Team übernommen wurde. Gemeinsam fungieren sie als homogene Masse, die den bisweilen etwas unentschlossen zwischen Räuberpistole und Milieustudie hin und her pendelnden Krimi zusammenhalten. Alles wie gehabt also.
Wenn die Bremer Neuankömmlinge so weitermachen, müssen wir unser „Tatort“ -Video erweitern.
Worum geht es im „Tatort“ „Neugeboren“?
Unmittelbar nach dem immergleichen Vorspann wird klar, dass sich der Titel des Bremer Neuanfangs nicht nur auf seine Figuren bezieht, sondern auch auf die Handlung. In der Tristesse jenseits der glänzend aufgetürmten Stadtmusikanten kommt ein Baby zur Welt, während ein anderes aus dem Krankenhaus entführt wird.
Dann liegt die Leiche eines Drogendealers vor der Platte und die Mordkommission muss dringend jemanden von der Großfahndung nach dem Kind abziehen, um auch diesen Fall zu lösen. Damit schlägt notgedrungen die erste Stunde des neuen Trios an der Weser und wir sind um einen packenden „Tatort“ reicher.
Mareks „Tatort“-Kritik: Geschlägert, nicht gestolpert
Ein neues Team in Deutschlands beliebtester Krimi-Reihe zu etablieren, ist beileibe kein Selbstläufer. Sogar Horst Schimanski wurde bei seinem Debüt von manchen als ungehobelter Prolet verschrien, bevor er zur größten Ikone des „Tatorts“ avancierte. Von dessen Legendenstatus ist das neue Bremer Trio zwar noch ein gutes Stück entfernt, dennoch zeigt schon sein erster Fall in die richtige Richtung.
Spätestens als Kommissarin Liv Schreiber (Jasna Fritzi Bauer) einem Verdächtigen unterstellt, sein blaues Auge sei „geschlägert“ und nicht gestolpert, hat der Bremer Erstling seinen ganz eigenen Duktus gefunden, der sein Personal fortan durch den gesamten Krimi trägt. Dass sich Drehbuchautor Christian Jeltsch nicht recht zwischen Sozialdrama und überhöhtem Whodunit-Konstrukt entscheiden mag, fällt dank der spielfreudigen Stars und der spannenden Facetten ihrer Figuren nicht weiter ins Gewicht. Vielmehr überwiegt die Erleichterung, dass der derzeit grassierende Trend der immer abstruseren privaten Verstrickungen und Befindlichkeiten in Bremen nicht zum Zuge kommt. So dürfen wir uns schon jetzt auf den nächsten Fall freuen.
Die „Tatort“-Episode „Neugeboren“ wurde am Pfingstmontag, dem 24. Mai 2021 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar. Als nächstes steht wieder eine Premiere vor der Tür. Zum 50. Geburtstag des „Polizeiruf 110“ geben die neuen Halleschen Kommissare ihr Debüt in der Episode „An der Saale hellem Strande“.