Gerade erst ermittelten die Kölner Urgesteine in der „Siebten Etage“ eines Eroscenters, nun melden sich Max Ballauf und Freddy Schenk wieder zum Dienst. Warum ihr neuster Einsatz vor allem als bitteres Sozialdrama überzeugt, erfahrt ihr in Mareks Kritik zum stark gespielten „Tatort: Restschuld“.
Welche Kommissare ermittelten gestern im „Tatort: Restschuld“?
Das Schicksal von Obdachlosen auf der Domplatte, ein ungeschönter Einblick in den Arbeitsalltag eines Paketzustellers und zuletzt eine Milieustudie aus der Tristesse eines sogenannten Freudenhauses: In seiner bald dreißigjährigen Geschichte hat sich der Kölner „Tatort“ an vielen Themen abgearbeitet, auch weil auf dem Revier kaum etwas von den eigentlichen Fällen ablenkt. Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt müssen niemandem mehr etwas beweisen und verfügen über die nötige Souveränität, sich wenn nötig zurückzunehmen und komplett in den Dienst der jeweiligen Kriminalgeschichte zu stellen. So auch diesmal, wenn Drehbuchautorin Karlotta Ehrenberg einen präzisen Blick auf gescheiterte Existenzen wirft, die im Hamsterrad der Überschuldung einen aussichtslosen Kampf ums Überleben führen.
Gänzlich unkommentiert lassen die beiden alten Hasen das Geschehen allerdings nicht. So erfahren wir, dass Familienvater Schenk Zeiten erlebte, in denen er selbst jeden Cent zweimal umdrehen musste, während der ewige Junggeselle Ballauf seiner Meinung nach gar nicht wisse, was er mit seinem ganzen Mammon anfangen soll. Er hätte ihm gerne etwas geliehen, entgegnet der verblüffte Polizist, doch das wäre für seinen Kollegen niemals in Frage gekommen. Die Selbstverständlichkeit, mit der Freddy Schenk dieses durchaus ernst gemeinte Angebot vom Tisch wischt, sagt viel über unser aller Umgang mit Geld aus, der letztlich immer etwas mit der eigenen Würde zu tun hat. Und genau darum geht es in diesem schwermütigen „Tatort“, der zwar als Krimi das Rad nicht neu erfindet, als eindringliches Sozialdrama aber ein weiteres Argument dafür liefert, warum die Kölner Kommissare nach wie vor einen vorderen Platz in unserem Video der besten „Tatort“-Teams innehaben.
Worum geht es im „Tatort: Restschuld“?
Fabian Pavlou ist ein besonders hartnäckiger Schuldeneintreiber und lotet bei der Ausübung seines Berufes immer wieder die Grenzen der Legalität aus. Eines Nachts wird er in eine Falle gelockt, doch der Überfall auf ihn verläuft nicht nach Plan. Es kommt zu einer Messerstecherei, an deren Ende der wertvollste Mitarbeiter eines einschlägigen Inkassounternehmens blutüberströmt in seinem eigenen Fahrzeug verschleppt wird.
Verdächtig sind viele, schließlich schnappt die Schuldenfalle nicht ausschließlich bei Menschen am Rande unserer Gesellschaft zu. Vom vermeintlich gut situierten Ehepaar, das sich beim Kauf seines Eigenheims überhoben hat, über eine Steuerfachangestellte, der die Bürgschaft für ihren Ex-Mann zum Verhängnis wurde, bis hin zum Masseur, der in jungen Jahren auf Pump gelebt hat: Sie alle wurden von Fabian Pavlou tagtäglich daran erinnert, ihre „Restschuld“ zu begleichen. Doch wer von ihnen hat die Nerven verloren?
Mareks „Tatort“-Kritik: Durchschnittlicher Krimi überzeugt als herausragend gespieltes Sozialdrama
„Leben willst du jetzt, zahlen kannst du später“. Wenn nach 90 Minuten der Werbebanner eines Kreditinstituts eingeblendet wird, haben wir die Kehrseite der Verheißung vom schnellen Glück auf Pump in vielen unterschiedlichen Facetten kennengelernt. Dass der konventionell gestrickte Krimi dabei nie so recht in Fahrt kam und auch seine Auflösung in keiner wirklichen Überraschung mündet, dürfte manchen konservativen Fan vor den Kopf stoßen, ist unterm Strich aber zweitrangig. Zu sehr beeindrucken die schauspielerischen Leistungen des tollen Ensembles, das die Nöte seiner Figuren glaubhaft und berührend auf den Bildschirm transportiert.
Roman Knižka spielt den hochverschuldeten Besitzer einer Nobelvilla als Meister der Verdrängung, Tilla Kratochwil glänzt als dessen beschämte Ehefrau, die die Aussichtslosigkeit ihrer Lage längst begriffen hat und die eigenen vier Wände nur noch als selbst gewähltes Gefängnis wahrnimmt. Der größte Applaus allerdings gebührt Katharina Marie Schubert als von Mann und Kindern verlassene Angestellte, die unter der Last einer geplatzten Bürgschaft zusammenbricht. Allein die Szene, in der sie ihrem Frust und ihrer Trauer in einem Bekleidungsgeschäft freien Lauf lässt, lohnt die Sichtung dieses außergewöhnlichen „Tatorts“, der sich voll und ganz seinem Thema verschrieben hat. Doch Vorsicht, für einen kurzweiligen Fernsehabend ist das beklemmende Drama wenig geeignet. Aber dafür gibt es ja schließlich noch die Spaßvögel aus Münster.
Der „Tatort: Restschuld“ wurde gestern am Sonntag, dem 5. Januar 2025 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt für sechs Monate in der Mediathek als Wiederholung im Stream verfügbar.