Kurz bevor sich Axel Milberg von Deutschlands beliebtester Krimireihe verabschiedet, findet die ARD einen Sendeplatz für den mittlerweile über drei Jahre alten „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“. Warum sich die Wartezeit gelohnt hat, erfahrt ihr hier in Mareks Kritik.
Welche Kommissare ermitteln im „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“?
Kehren wir den Totalausfall „Borowski und das ewige Meer“ höflich unter den Teppich, haben uns in den letzten Jahren durchweg starke bis herausragende „Tatorte“ aus dem Hohen Norden erreicht. Die pechschwarze Krimikomödie „Borowski und der Wiedergänger“ geriet gar zum bislang aufregendsten Einsatz von Klaus Borowski, was bei immerhin 42 Auftritten schon eine Hausnummer ist. Als die irrwitzige Räuberpistole im vergangenen Jahr ausgestrahlt wurde, lagen die Dreharbeiten zum nun kommenden „Tatort“ allerdings schon zweieinhalb Jahre zurück. Warum der Erotikthriller erst jetzt seine TV-Premiere feiern darf, nachdem er bereits 2022 auf dem Filmfest in Hamburg aufgeführt wurde, bleibt ein Geheimnis der ARD, tut der Qualität des in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen „Tatorts“ aber keinen Abbruch.
Einen Krimi über die Nöte von Sexsüchtigen hätte wohl kaum jemand mit Klaus Borowski in Verbindung gebracht, ebenso wenig wie einen klassischen Whodunit, eine Struktur, die in Kiel gerne und häufig umkurvt wurde. Hier funktioniert aber beides ganz wunderbar, auch weil der „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“ trotz seiner Thematik niemals ins Reißerische abgleitet oder gar in die Schmuddelecke niedersinkt. Stattdessen erfahren wir endlich mehr über den Charakter von Borowskis Partnerin Mila Sahin, die ab 2026 das Zepter in Kiel hauptverantwortlich übernimmt. Spätestens dann sollte sie auch Teil folgenden Videos werden.
Worum geht es im „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“
Zum Entsetzen ihrer Leidensgenossin Nele Krüger ist Andrea Gonzor rückfällig geworden und hat gleich mehrere Männer zu einer Sexparty bei sich zu Hause eingeladen. Am nächsten Morgen findet die Polizei ihre erschossene Leiche, verdächtig sind natürlich ihre Gäste, mit denen sie in besagter Nacht intim wurde. Um an deren Klarnamen zu kommen, taucht Mila Sahin als „pralle Praline“ in die Kieler Swinger-Szene ein, während Kommissar Borowski versucht, das Vertrauen der neben sich stehenden Nele zu gewinnen.
Während dessen Ermittlungen nach halbwegs bekanntem Muster ablaufen, birgt der Einsatz seiner Kollegin eine stimmig eingeflochtene Überraschung, die ihrem Charakter eine neue Tiefe verleiht, die ihre Wahl als neue Nummer Eins im Schleswig-Holsteinischen „Tatort“ endgültig rechtfertigt. Dass Almila Bagriacic eine überragende Schauspielerin ist, wussten wir natürlich schon vorher.
Mareks „Tatort“-Kritik: Alles andere als ein billiger Reißer
Männer, die viel Sex haben, sind echte Kerle, aber Frauen, die das gleiche machen, werden immer noch als Schlampen verunglimpft. So in etwa fasst Nele Krüger ihre eigene Situation und die ihrer ermordeten Freundin Andrea zusammen. Auf diese immer noch vielerorts verankerte Sichtweise macht Drehbuchautorin Katrin Bühlig nicht nur aufmerksam, vielmehr durchbricht ihre Vorlage diese Prämisse, in dem sie ihr Thema konsequent aus weiblicher Sicht erzählt und die zwanghafte Lust auf Sex nicht bagatellisiert, sondern als Suchterkrankung ernst nimmt.
Konsequenterweise rückt Kommissarin Sahin bei den Ermittlungen in den Vordergrund, was Klaus Borowski davor bewahrt, unbeholfen und vor allem unglaubwürdig durch die Szenerie tapsen zu müssen. Stattdessen darf sich der baldige Pensionist mit seinem Freund und Vorgesetzten ein Gulasch teilen und dabei auf Geschirr und Besteck verzichten. Am Ende geht es auch in dieser kleinen, vordergründig der Auflockerung dienenden Szene um eine von vielen Formen von Intimität, so wie es letztlich beim gesamten „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“ der Fall ist, den wir nun endlich in seiner ganzen Pracht bestaunen dürfen. Die tolle Kameraarbeit von Birgit Gudjonsdottir, der passende Soundtrack von Haraldur Thrastarson und nicht zuletzt die straffe, aber zugleich behutsame Inszenierung von Maria Solrun machen ihn zu einem Erlebnis, dem auch die lange Wartezeit nichts anhaben konnte. Als nächstes folgt dann der große Abschied von Axel Milberg, zum Glück ist der Kieler „Tatort“ für die Zukunft gut gewappnet.
Der „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“ wird am Sonntag, dem 12. Januar 2025 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist danach für sechs Monate in der Mediathek als Wiederholung im Stream verfügbar.