Als Adam Raczek deutete er den bräsigen Brandenburger „Polizeiruf 110“ zum rasanten Thriller um, nun wechselt Lucas Gregorowicz die Seiten und wird in Zürich zum Killer. Warum dieser Besetzungscoup ein echter Volltreffer ist, erfahrt ihr in Mareks Kritik zum „Tatort: Fährmann“.
Welche Kommissare ermitteln im „Tatort: Fährmann“?
Auch wenn er am Schluss unnötigerweise als tablettensüchtiges Wrack in Rente geschickt wurde, so umgab den polnischen „Polizeiruf 110“-Kommissar Adam Raczek immer eine dunkle Aura, die ihm sein Darsteller Lucas Gregorowicz so beiläufig wie einprägsam und damit stets überzeugend überstülpte. Die Idee, ihn im neusten Züricher „Tatort“ genau an dieser Stelle anknüpfen zu lassen, ist entsprechend nur auf den ersten Blick mutig, vielmehr erweist sie sich als naheliegender Kniff, der die ohnehin steil nach oben zeigende Formkurve der Schweizer Kommissarinnen Ott und Grandjean weiter befeuert.
Erst im April diesen Jahres versetzten Carol Schuler und Anna Pieri Zuercher dem biederen Mief ihrer Vorgänger endgültig den nötigen Tritt in den Allerwertesten und lieferten mit der überbordenden, fast schon tolldreisten Krimikomödie „Von Affen und Menschen“ den bislang spektakulärsten Schweizer „Tatort“ überhaupt ab. Qualitativ kann ihr Nachfolger auch dank seines Gaststars mühelos mithalten, obwohl die weitaus ernstere Struktur des Krimis eine völlig andere ist. Statt schwarzhumorigen Schenkelklopfern bekommen wir es diesmal mit einem waschechten Psychothriller zu tun, der uns nebenbei viel über die Zusammenarbeit der beiden Frauen im Dienst der Kantonspolizei verrät. Wirklich vertrauen tun sie sich nämlich immer noch nicht.
Die größten Aufreger aus über 50 Jahren „Tatort“-Geschichte finden trotz der neu gewonnenen Dynamik nach wie vor außerhalb der Schweiz statt, wie euch das Video verrät:
Worum geht es im „Tatort: Fährmann“?
Kollegin Ott will zu Weihnachten mit ihrem Freund Charlie um die Häuser ziehen, ihr jugendlicher Sohn bleibt lieber beim Vater in Den Haag: Einsam schlendert Isabelle Grandjean durch das festlich geschmückte Zürich, als sie vom schönen Marek aus Warschau angesprochen wird. Der eloquente Anzugträger kommt direkt zur Sache und beide landen schneller im Bett, als manch andere dafür brauchen, um ihren Glühwein auszutrinken. Zufällig war ihre Begegnung allerdings nicht.
Schon vor Jahren hat Marek Kowalski seinen ersten Mord begangen und die Spuren so manipuliert, dass die noch junge Polizistin Grandjean einen Unschuldigen ins Gefängnis brachte, der daraufhin Selbstmord beging. Da er mittlerweile unheilbar an Krebs erkrankt ist, schickt er der Kommissarin die Koordinaten zum Fundort seines neusten Opfers und beginnt ein letztes, perfides Katz- und Mausspiel, auf das sich die verzweifelte Majorin ohne jegliche Unterstützung einlässt. Wird es ihrer Kollegin gelingen, sie zu retten?
Mareks „Tatort“-Kritik: Finsterer Thriller macht fast alles richtig
Zugegeben, über das Motiv des Serienmörders Marek lässt sich streiten, dennoch wurde die persönliche Geschichte einer Kommissarin selten so spannend und vor allem so glaubwürdig in den eigentlichen Kriminalfall eingebettet wie in diesem bis zum Schluss hochspannenden Thriller, von dessen weihnachtlicher Dekoration sich niemand täuschen lassen sollte. Auch dass es sich um keinen klassischen Whodunit-Krimi wie vor zwei Wochen im launigen Bremer Festtagsbeitrag handelt, tut dem finsteren Geschehen keinen Abbruch. Vielmehr schraubt das straffe Drehbuch von Stefan Brunner und Lorenz Langenegger kontinuierlich an der Spannungskurve, bis der neuste Züricher „Tatort“ eine fast schon soghafte Kraft entwickelt, die in der Schweiz über viele Jahre kaum denkbar war.
Die Uhren ticken dank Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler mittlerweile deutlich schneller, lassen dabei aber nichts an der so oft herbeigeschworenen Schweizer Präzision vermissen. Für den Honig im Tirggel sorgt diesmal allerdings Lucas Gregorowicz, dem als selbstherrlicher Psychopath die bislang beste Vorstellung seiner Karriere auf dem TV-Bildschirm gelingt. Da auch die sonst so anstrengend gezeichnete Figur der Staatsanwältin ihr obligatorisches Gekeife auf Zimmerlautstärke gedrosselt hat, ist das Züricher Weihnachtswunder perfekt. Die Messlatte für 2025 hängt nun allerdings sehr hoch.
Der „Tatort: Fährmann“ wird am Sonntag, den 22. Dezember 2024 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist danach für einen Monat in der Mediathek als Wiederholung im Stream verfügbar.