Nach einigen schwächeren Folgen dürfen Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer endlich wieder glänzen. Warum der neueste Wiener „Tatort“ keine Wünsche offen lässt, erfahrt ihr in Mareks „Tatort“-Kritik zur herausragenden Episode „Was ist das für eine Welt“.
Welche Kommissare ermitteln im „Tatort“ „Was ist das für eine Welt“?
Backmischung statt Sachertorte, ein Sechzehnerblech anstelle eines prickelnden Champagners: In seinen letzten Auftritten büßte das fulminant gestartete Wiener Duo Eisner und Fellner deutlich an Esprit ein, etwa in der blutleeren Provinzposse „Baum fällt“ aus dem Jahr 2019. Glücklicherweise zeigte die Formkurve des österreichischen „Tatorts“ mit einer schaurig-schönen „Conjuring“-Hommage zuletzt wieder nach oben – ein Trend, der nun eindrucksvoll bestätigt wird. Verbliebene Restzweifel an der endgültigen Rückkehr des einzigartigen Schmähs werden genüsslich vom Kaffeehaustisch gewischt, denn mit ihrem neusten Fall können Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer nahtlos an ihre größten Taten vor der Kamera anknüpfen.
Zwar kommen so liebgewonnene Charaktere wie Kleinganove Inkasso-Heinzi diesmal nicht zum Zuge, dafür ist die zuletzt in den Hintergrund getretene Chemie zwischen Bibi und Moritz wieder allgegenwärtig und führt sogar zu einem unerwartet zärtlichen Moment zwischen den beiden, die sich während der Arbeit eine kurze Auszeit genehmigen, um sich ihrer gegenseitigen Zuneigung zu vergewissern. Dass auch diese kleine Unterbrechung keinen Bruch in ihrem mittlerweile 30. Fall darstellt, ist nur eines von vielen Beweismitteln für einen in sich stimmigen, rundum gelungenen „Tatort“, der mühelos zu den besten Folgen der letzten Jahre zählt.
Einen Skandal müssen Bibi und Moritz nicht entfachen, um wieder vollends zu überzeugen. Einige Aufreger hat es in der langen Geschichte des „Tatorts“ aber bereits gegeben, wie ihr euch im Video anschauen könnt:
Worum geht es im „Tatort“ „Was ist das für eine Welt“?
Kaum hat er sein geliebtes Rennrad in den Hausflur gewuchtet, schon wird Marlon Unger vor seiner Wohnungstür erstochen. Moritz Eisner und Bibi Fellner nehmen das Arbeitsumfeld des Mordopfers genauer unter die Lupe und stoßen auf eine Firma, deren Hauptaufgabe darin besteht, Arbeitsplätze durch technische Innovation zu vernichten. Ein starkes Motiv, das sich der Wiener Mordkommission hier eröffnet, doch auch die demente Mutter des Toten sowie dessen Kollege Arnold könnten aus unterschiedlichen Gründen zum Messer gegriffen haben.
Während sich langsam ein Puzzleteil zum anderen gesellt, richtet der Wiener „Tatort“ sein Augenmerk zunehmend auf Kriminalassistentin Meret Schande, die sich Stück für Stück von der Ermittlungsarbeit mit ihren Vorgesetzten löst und eine immer ambivalentere Rolle einnimmt. Ist die Polizistin etwa in die Tat involviert oder haben wir es hier mit einer weiteren Finte des packenden Drehbuchs von Stefan Hafner und Thomas Weingartner zu tun?
Mareks „Tatort“-Kritik: Wir sind hier in Österreich
Was ist das für ein „Tatort“? Einer aus Österreich, und zwar in Reinkultur. Düster, schwarzhumorig und mit dem eingangs erwähnten Schmäh entfaltet der von Regisseurin Evi Romen packend in Szene gesetzte Krimi eine soghafte Atmosphäre, der man sich zu keiner Zeit entziehen kann. Dass selbst die anderswo oftmals holprig übergestülpten Vor-und Rückblenden hervorragend funktionieren und dem Spannungsaufbau dienen, statt ihn zu bremsen, sagt eigentlich alles über die Qualität des Thrillers, der auch auf der großen Leinwand eine gute Figur abgeben würde.
Der österreichische Film besticht seit Jahren mit einer ganz eigenen Tonalität, denken wir etwa an Ulrich Seidls verschwitzten Vorstadthorror „Hundstage“ oder die von makabrem Humor durchzogenen Brenner-Verfilmungen mit Josef Hader. In seinen besten Momenten färbt etwas von diesen Eigenarten auf den Wiener „Tatort“ ab, so auch hier. Exemplarisch für das treffend eingeflochtene Lokalkolorit ist ein Gespräch zwischen Moritz Eisner und einem dringend Tatverdächtigen, der ihm gegenüber gesteht, dass er dem Toten zwar in dessen Wohnung eins überbraten wollte, dann aber im naheliegenden Beisl versackte und unverrichteter Dinge abzog. „Gar nicht unglaubwürdig, wir sind hier in Österreich“ lautet dessen Antwort, die im Prinzip als Mantra für den gesamten Film angewendet werden kann. Davon bitte mehr und das möglichst bald.
Die „Tatort“-Episode „Was ist das für eine Welt“ wurde am Sonntag, dem 26. Februar 2023 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar. Als nächstes geht es nach Münster zu den Publikumslieblingen Thiel und Boerne und ihrem bissigen Auftritt im „Tatort: Magic Mom“.