Nachdem uns die Bremer Kommissarinnen an Ostern einen feinen Thriller ins Körbchen legten, kehren sie nun mit dem weihnachtlichen „Tatort: Stille Nacht“ in unsere Wohnzimmer zurück. Warum auch dieser völlig anders gestrickte Krimi ein Volltreffer ist, erfahrt ihr hier in Mareks Kritik.
Welche Kommissare ermitteln im „Tatort: Stille Nacht“?
Mittlerweile bevölkern so viele schräge Vögel den „Tatort“, dass sich eine gewisse Übersättigung an exzentrischen Figuren eingestellt hat, unter der auch die empathiebefreite Bremer Kommissarin Linda Selb leidet. Diesmal allerdings funktioniert ihre unverschämt fröhlich vorgetragene Ignoranz bestens und sorgt gleich zu Beginn für einen bitterbösen Lacher, als sie den trauernden Hinterbliebenen am ersten Weihnachtsfeiertag völlig ungeniert ein schönes Fest wünscht.
Die verkorkste Familiengeschichte ihrer Partnerin Liv Moormann, die im bislang schwächsten Bremer „Tatort: Donuts“ denkbar krude abgearbeitet wurde, bildet hier zum Glück nur eine Randnotiz, sodass sich Jasna Fritzi Bauer ausschließlich darauf konzentrieren kann, die normale Ermittlerin des ungleichen Duos zu spielen und uns daran zu erinnern, dass wir uns immer noch innerhalb eines regulären „Tatorts“ bewegen. Der kommt in Punkto Spannung an seinen extrem fesselnden Vorgänger zwar nicht heran, für einen launigen zweiten Adventsabend reicht es aber allemal. Bleibt es in Bremen dauerhaft bei der neu gewonnenen Rollenverteilung, wird für Liv Moormann und Linda Selb bald ein Platz in folgendem Video frei.
Worum geht es im „Tatort: Stille Nacht“?
Weihnachten auf einem Bauernhof in der Nähe von Bremen: Kapitän Hendrik Wilkens feiert gemeinsam mit seinem Ehemann Bjarne und seinen erwachsenen Kindern Fabienne und Marco sowie dem philippinischen Matrosen Andy, den die Familie nach gutem Brauch über die Festtage eingeladen hat. Während nach der Bescherung die Karaoke-Maschine angeworfen wird, zieht sich der Hausherr gegen Mitternacht zurück. Am nächsten Morgen liegt seine erschossene Leiche im Keller und Linda Selb kann endlich die neusten Gadgets der Kriminaltechnik ausprobieren.
Ein eingeschlagenes Fenster deutet auf einen Raubmord hin, aber die findige Kommissarin entdeckt schnell, dass die Scheibe erst nach dem Tod des Seemanns zertrümmert wurde, was den Kreis der Verdächtigen merklich schrumpfen lässt. Doch wer hatte ein Interesse daran, Hendrik Wilkens zu töten und vor allem, warum?
Mareks „Tatort“-Kritik: Klassischer Whodunit-Krimi hat für alle ein Geschenk dabei
Auch wenn es an Heiligabend natürlich um weitaus mehr geht, so entscheidet sich das Gelingen des Festes nicht selten knallhart unter dem Baum. Zum Glück hat der neuste Bremer „Tatort“ für alle ein passendes Geschenk unter die Tanne gelegt. Wer einen traditionellen Krimi bevorzugt, darf sich über einen klassisch gestrickten Whodunit nach bester Agatha-Christie-Manier freuen, wem Kammerspiele zu eng sind, wartet auf die letzte halbe Stunde und wer auf Glühwein und Lametta keine Lust hat, hält sich einfach an Kommissarin Selb, die das Herzstück der bisweilen schwarzen Krimikomödie bildet.
Luise Wolfram darf sich über die vollen 90 Minuten nach Herzenslust austoben und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass der diesjährige Weihnachts-„Tatort“ nicht unter einer Überdosis Zuckerguss zusammenbricht. Vielmehr macht seine Sichtung einfach nur Spaß, was nach all den harten Themen der letzten Wochen auch einfach mal genug ist. Ich kaufe mir jetzt jedenfalls ein Keyboard und stelle es im Büro auf meinen Schreibtisch. Kann man ja immer gut gebrauchen.
Der „Tatort Stille Nacht“ wird am Sonntag, den 8. Dezember 2024 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist danach in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar.