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„Tatort: Vergebung“ (Episode 1250): Kritik

„Tatort: Vergebung“ (Episode 1250): Kritik
© SWR / Benoît Linder / Patricia Neligan

An diesem Sonntag spielen die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz nur die zweite Geige, während der Gerichtsmediziner Daniel Vogt mit einem düsteren Geheimnis seiner Kindheit konfrontiert wird. Warum die Vergangenheitsbewältigung trotz aller Befürchtungen in einem stimmigen „Tatort“ mündet, erfahrt ihr in Mareks Kritik zur Episode „Vergebung“.

Welche Kommissare ermitteln im „Tatort: Vergebung“?

Vor einigen Monaten verabschiedete der herrlich neben sich stehende Kommissar Lannert den „Tatort“ mit einem Augenzwinkern in die Sommerpause, jetzt ist im Ländle wieder der Ernst des Alltags eingekehrt. Statt einer launigen Krimikomödie erwartet uns diesmal ein bedrückender Rückblick auf die Kinderjahre des Gerichtsmediziners Dr. Vogt, dem sein neuster Fall den Boden unter den Füßen wegzieht. Basierend auf einer Idee seines Darstellers darf der ansonsten stets akkurat im Hintergrund agierende Pathologe in ungeahnte Abgründe versinken, die ihn im normalen Leben eigentlich den Job kosten müssten.

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Wer in den letzten Jahren den „Tatort“ zumindest mit einem wachen Auge verfolgt hat, wird wissen, dass solche Sperenzien eigentlich ein Todesurteil für gelungene und vor allem nachvollziehbare Unterhaltung am Sonntagabend bedeuten und eine oftmals einfach nur hanebüchen begründete Verstrickung von Arbeit und Privatleben fast nie funktioniert, von Mark Waschke in Berlin einmal abgesehen. Umso höher ist es dem neusten Stuttgarter Krimi anzurechnen, dass am Ende der 90 Minuten ein schlüssiger und vor allem packender „Tatort“ auf der Habenseite steht, aus dem sein ungewohnter Hauptdarsteller Jürgen Hartmann dank einer schauspielerischen Tour de Force hervorsticht. Chapeau.

Eine Reise in die Vergangenheit des „Tatorts“ könnt ihr im Video antreten.

Worum geht es im „Tatort: Vergebung“?

Nachdem die Leiche von Matthias Döbele aus dem Neckar gefischt wurde, deutet viel auf einen Suizid des unheilbar an Krebs erkrankten Familienvaters hin. Ein Fremdverschulden kann aber nicht zu einhundert Prozent ausgeschossen werden, was die Kommissare Lannert und Bootz auf den Plan ruft. Sie setzen naturgemäß auf die Expertise ihres Gerichtsmediziners, doch Dr. Vogt druckst am Tatort herum und lässt sich mit seiner Diagnose ungewöhnlich viel Zeit. Die nutzen die Kommissare, um das Umfeld des Verstorbenen näher zu beleuchten und nehmen dabei dessen Ehefrau genauer unter die Lupe, die als Altenpflegerin über die nötigen Kenntnisse verfügt hätte, um ihrem Ehemann per Giftverabreichung Sterbehilfe zu leisten.

Während der Bericht der Pathologie immer noch nicht unterzeichnet wurde, treffen die Kommissare den Gerichtsmediziner in der Wohnung der Witwe des Opfers an und werden misstrauisch. Steckt Dr. Vogt etwa in der Sache mit drin? Lannert und Bootz versuchen, ihren Kollegen bei einem Bier aus der Reserve zu locken, doch so leicht lässt sich der verzweifelte Mediziner nicht überlisten. Schließlich ist für ihn gerade zum zweiten Mal eine Welt zusammengebrochen, die er vor über 40 Jahren vermeintlich hinter sich gelassen hat. Was ist damals zwischen ihm und Matthias Döbele passiert und warum hat ihn der Tote kurz vor seinem Ableben angerufen?

Mareks „Tatort“-Kritik: Origineller Seelenstriptease mit tollem Ensemble

Nachdem sich Regisseur und Autor Rudi Gaul bei seinem letzten Krimi im Bajuwarischen #MeToo-Sumpf vergaloppierte, knüpft er nun nahtlos an sein glänzendes Stuttgarter Debüt „Videobeweis“ an. Bedanken kann er sich neben Jürgen Hartmann und dem wie immer souverän auftretenden Duo Richy Müller und Felix Klare auch bei Ulrike C. Tscharre, die drauf und dran ist, ihren Kolleginnen Ulrike Krumbiegel und Ursina Landi den Schneid als beste Gastdarstellerin im „Tatort“ abzukaufen. Da ist auch die bissweilen anstrengende Kameraarbeit von Stefan Sommer zu verschmerzen, der dann doch mindestens einmal zu viel auf den Zoom-Knopf drückt.

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Natürlich hätte die Geschichte um eine jahrelang verdrängte Tragödie auch mit einer anderen Figur funktioniert, sie ist bei Dr. Vogt aber in guten Händen und vor allem überzeugend in den eigentlichen Fall eingearbeitet. Was in vielen ähnlich gestrickten Krimis unglaubwürdig wirkt, ist hier tatsächlich eine Bereicherung, die den „Tatort“ um eine reizvolle Komponente ergänzt, aus der er einen Großteil seiner Spannung bezieht. Gerade weil die Ereignisse aus den frühen 1980er-Jahren lange Zeit nebulös bleiben, wirkt seine Hauptfigur mit zunehmender Dauer unberechenbarer, was dem Krimi ein doppelbödiges Alleinstellungsmerkmal beschert, das ihn weit über den Durchschnitt hievt. Bleibt am Ende nur die Frage, wie es mit dem Pathologen in Zukunft weitergehen soll. Einfach zurück zur Tagesordnung überzugehen, würde diesem „Tatort“ nicht gerecht werden.

Der „Tatort: Vergebung“ wurde am Sonntag, dem 19. November 2023 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar. Als nächstes geht es zum vorletzten Einsatz von Axel Milberg und dem beklemmenden „Tatort: Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“.

„Tatort“-Quiz: Testet euer Wissen über Thiel, Boerne und Co.!

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