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„Tatort: Das Wunderkind“ (Episode 1260): Kritik

„Tatort: Das Wunderkind“ (Episode 1260): Kritik
© BR / Sappralot Productions GmbH / Hendrik Heiden

Von den vielen Abgängen, die Deutschlands beliebteste Krimi-Reihe derzeit zu verzeichnen hat, ist der nahende Abschied von Ivo Batic und Franz Leitmayr der schmerzhafteste. Warum sich die alten Hasen auch in ihrem neusten Einsatz keine Blöße geben, erfahrt ihr in Mareks Kritik zum „Tatort: Das Wunderkind“.

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Welche Kommissare ermittelten gestern im „Tatort: Das Wunderkind“?

Die 100 wollen sie noch voll machen, dann gehen die in Würde gealterten Münchner Kommissare in Rente. Zwar braucht sich niemand bezüglich der Zukunft des bajuwarischen „Tatorts“ allzu große Sorgen zu machen, dennoch werden Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl eine enorme Lücke hinterlassen. So souverän und stilsicher wie an der Isar geht es noch nicht einmal bei ihren Kölner Kollegen zu und das wohlgemerkt seit über 30 Jahren. Ihr neuster Einsatz kann sich trotz kleinerer Schwächen ebenfalls in das hochwertige Münchner Portfolio einreihen, auch wenn die beiden Urgesteine zunächst gar nicht zu sehen sind.

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Dramaturgisch an die Anfangsjahre des „Tatorts“ angelehnt, lässt sich Autor und Regisseur Thomas Stiller viel Zeit, um die eigentliche Kriminalgeschichte um einen Mord an einem Häftling in der JVA zu etablieren. Hinter kaltem Beton wird gedealt, geschlagen und der Justiz fast schon tolldreist auf der Nase herumgetanzt, was dann doch recht grobschlächtig skizziert ist, als atmosphärischer Unterbau für seinen Knast-Krimi aber bestens funktioniert. Über den Durchschnitt hieven ihn dann aber nicht nur die hinzugezogenen Kommissare, sondern auch der titelgebende, weitaus feinsinniger erzählte Handlungsstrang um ein hochbegabtes Wunderkind, das bald zum tatverdächtigen Vater ziehen muss, der kurz vor seiner Haftentlassung steht. Spätestens als dessen Schicksal in den Mittelpunkt rückt, wird aus dem soliden Thriller ein neuerliches Meisterwerk, welches sich hinter den vielen vorangegangenen Münchner Glanzlichtern nicht verstecken muss. Auch deshalb dürfen Batic und Leitmayr in folgendem Video nicht fehlen.

Worum geht es im „Tatort: Das Wunderkind“?

Fünf Jahre lang hat Dieter Scholz auf den Tag gewartet, an dem er seinen Sohn endlich wieder in seine Obhut nehmen darf. Tapfer hielt er sich von den finsteren Machenschaften seiner Mitinsassen fern, doch ausgerechnet einen Tag vor seiner Entlassung fordert deren Anführer Roland Gumbert neue Gefälligkeiten ein, ansonsten könne er für die Sicherheit des kleinen Jungen nicht garantieren. Als Gumbert kurze Zeit später erstochen in der Gemeinschaftsdusche der JVA aufgefunden wird, gerät der vermeintliche Vorzeigehäftling zwangsläufig unter Mordverdacht. Das Gefängnis darf er trotzdem verlassen, freilich nicht, ohne dass sich Franz Leitmayr an seine Fersen heftet.

Während Ivo Batic die Härte des Gefängnisalltags am eigenen Leib erfahren muss, bietet sich seinem Kollegen abseits der Schwedischen Gardinen ein gänzlich anderes Bild. Statt Beweise für die Schuld von Dieter Scholz zu sammeln, offenbart sich ihm und uns ein herzzerreißendes Tauziehen um ein unschuldiges Kind, das nicht nur den sichtlich betroffenen Kommissar verzweifeln lässt, sondern auch auf der heimischen Couch für Diskussionen sorgen dürfte.

Mareks „Tatort“-Kritik: Knallharter Knast-Thriller mit feinfühligem Kern

Selbstbewusste Knackis, die dem Regelvollzug den Mittelfinger zeigen und eine Wärterin, die ihren Allerwertesten zum Druckablassen zur Verfügung stellt: Was in deutschen Gefängnissen hoffentlich nicht Realität ist, droht auch auf dem Bildschirm zur grau betonierten Groteske zu verkommen, doch so weit kommt es glücklicherweise nicht. Sachlich, aber auch verschmitzt und mit der nötigen Empathie versehen, umschiffen Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl alle Klischees und dirigieren uns zielsicher zum eigentlichen Herzstück ihres mittlerweile 95. „Tatorts“.

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Die Geschichte des kleinen Ferdinand, der am liebsten bei seiner Pflegefamilie bleiben würde, ist weder schablonenhaft erzählt, noch wartet sie mit einfachen Antworten auf. Feinfühlig dargestellt und zurückhaltend inszeniert gibt es hier kein Gut und Böse, auch wenn Franz Leitmayr sich das stellvertretend für uns alle wünschen würde. Genau diese Ambivalenz verleiht dem gesamten Krimi eine Tiefe, die er als altbekanntes Machtspiel hinter Gittern wohl kaum erreicht hätte. Das es dort neben aller Düsternis zu einer brüllend komischen Anspielung auf den Birdman von Alcatraz reicht, ist entsprechend nur als Sahnehäubchen eines unterm Strich bewegenden Krimis zu verstehen, der seine gealterten Helden noch einmal zu Höchstleistungen antreibt. So darf es in den verbliebenen fünf Münchner „Tatorten “ gern weitergehen, bevor dann hoffentlich ein gewisser Karl-Heinz Hammermann übernehmen darf. Ok, liebes Team vom Bayerischen Rundfunk?

Der „Tatort: Das Wunderkind“ wurde gestern am Sonntag, dem 4. Februar 2024 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar. Als nächstes geht es nach Göttingen, wo Charlotte Lindholm im „Tatort: Geisterfahrt“ zum letzten Mal an der Seite von Anais Schmitz ermittelt.

„Tatort“-Quiz: Wie gut kennt ihr den Krimi-Dauerbrenner wirklich?

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