Nach langer Pause erschien die Mainzer Mordkommission wieder zum Dienst. Warum der neueste Fall von Kommissarin Ellen Berlinger ihre beiden Vorgänger mühelos in den Schatten stellt, erfahrt ihr in Mareks „Tatort“-Kritik zur Episode „Blind Date“.
Welche Kommissare ermitteln im „Tatort“„Blind Date“?
Heike Makatsch ermittelt seit fünf Jahren im „Tatort“. Klingt komisch, ist aber so. Dass selbst der ein oder andere Fan erst einmal in längst ungenutzten Gehirnwindungen nach einer Erinnerung an Kommissarin Ellen Berlinger auf die Suche gehen muss, hat gleich zwei Ursachen. Zum einen folgte auf ihr noch in Freiburg angesiedeltes Debüt bislang nur ein weiterer Krimi, zum anderen konnten die beiden Fälle der ehemaligen Wahl-Engländerin auch inhaltlich keine länger anhaltende Duftmarke setzen.
Da alle guten Dinge bekanntermaßen auf die Zahl Drei hören, folgt nun eine erneute Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Die wird dankenswerterweise beim Schopfe gepackt, was vor allem an Gaststar Henriette Nagel liegt, die dafür sorgen dürfte, dass die Polizistin ihren Beruf nicht bald wieder an selbigen hängen muss. Zwar spielt ihre kompliziert unterkühlte Beziehung zu ihrem Nachwuchs immer noch eine Rolle, dennoch ticken die Uhren in Ellen Berlingers neuestem Einsatz auch in dieser Angelegenheit weitaus präziser als noch zur „Zeit der Frösche“. Ruhig und klar werden unbequeme Fragen nach der Last einer überfordernden Mutterschaft gestellt und auch der Kriminalfall an sich präsentiert sich als in sich schlüssiges Drama über Abhängigkeiten zwischen Eltern und Kindern sowie dem Drang nach einem selbst bestimmten Leben.
Wer weiß, vielleicht schafft es Heike Makatsch bei regelmäßigeren Auftritten auch einmal in unser Video.
Worum geht es im „Tatort“„Blind Date“?
Der nahezu blinden Jurastudentin Rosa Münch bleibt jeden Tag nur ein kurzer Moment, in dem sie sich vor der Obhut ihrer Helikoptereltern verstecken kann. An einer Tankstelle kauft sie regelmäßig zwei Bier, die sie sich auf dem Weg von der Uni in ihren wattierten Käfig einverleibt und dabei von einem Leben jenseits jeglicher noch so gut gemeinter Bevormundung träumt.
Eines Tages gerät sie in einen Überfall, an deren Ende der Tankwart erschossen hinter dem Tresen zusammenklappt. Erkennen konnte sie zwar niemanden, doch dank ihrer geschärften anderen Sinne weiß sie schnell, dass ihre Kommilitonin in die Tat verwickelt war. Statt der Polizei zu helfen, lässt sie sich auf ein perfides Spiel ein, von dem sie sich nicht weniger als den Aufbruch in ein neues Leben verspricht.
Mareks „Tatort“-Kritik: Schlüssiges Drama mit überzeugenden Figuren
Es war einmal eine Kommissarin, die ihrem Kollegen gern mehr von sich verraten würde, stattdessen aber kühl abgewiesen wird und sich in eine Märchensprache flüchtet, die immerhin das Prinzip Hoffnung als gemeinsame Basis etablieren kann. Was nach vergorenem Psychoquark klingt, funktioniert in dem gradlinig vorgetragenen Krimi allerdings blendend. Die Chemie zwischen Heike Makatsch und dem wie immer über jeden Zweifel erhabenen Sebastian Blomberg stimmt, ihr zurückhaltendes Spiel lässt zudem den eigentlichen Hauptfiguren den nötigen Raum zur Entfaltung. Die danken es mit durchweg starken Leistungen, von denen Henriette Nagels Vorstellung als brodelndes Nesthäkchen wider Willen heraussticht.
Behutsam eingeflochtene Perspektivwechsel, die uns das Schicksal der jungen Frau zumindest im Ansatz nachvollziehen lassen, tun ihr übriges, um den Mainzer „Tatort“ diesmal wirklich als belebendes Element am Sonntagabend zu etablieren. Entsprechend stört es auch nicht, dass Heike Makatschs „Blind Date“ nicht gerade ein Feuerwerk an Nervenkitzel abfeuert. Dafür legt der eigentliche Star des „Tatorts“ eine viel zu überzeugende Sohle aufs entstaubte Parkett. Darauf zwei Bier und der Wunsch, dass sich das Arbeitsprinzip Hoffnung in Zukunft etwas häufiger durchsetzen wird.
Die „Tatort“-Episode „Blind Date“ wurde am Sonntag, dem 24. Oktober 2021 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar. Als nächstes geht es nach Frankfurt am Main und dem „Tatort: Luna frisst oder stirbt“.