Sternegastronomie als Haifischbecken: Der neuste Österreichische „Tatort“ präsentiert uns einen schonungslosen Einblick in die vergiftete Hackordnung am blutigen Pass eines Gourmettempels und überrascht zudem mit einem unerwarteten Riss zwischen Bibi und Moritz. Warum die Wiener Melange am Ende trotzdem mundet, erfahrt ihr in Mareks Kritik zur Episode „Messer“.
Welche Kommissare ermitteln im „Tatort: Messer“?
Auch wenn sie zuletzt ein Opfer häuslicher Gewalt retten konnte, so verzweifelt Bibi Fellner zunehmend an ihrem Beruf. Früher hat die Majorin ihren Kummer im Alkohol ertränkt, heute schüttet sie ihrem inhaftierten Freund ihr Herz aus.
„Inkasso-Heinzi“, nach längerer Pause mal wieder Teil des Wiener „Tatorts“ und von Simon Schwarz einmal mehr als herrlich unerschrockener Strizzi verkörpert, weiß zum Glück Rat, ganz im Gegensatz zu ihrem Kollegen Moritz, der Bibis Seelenpein mit Ohnmacht und Schweigen begegnet.
Keine guten Voraussetzungen also für den üblichen Schmäh, der über die Jahre immer als auflockerndes Element in den mitunter düsteren Kriminalgeschichten an der Donau fungierte. Doch das feinfühlige Spiel von Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer überwindet auch diese Hürde und zeigt der Konkurrenz eindrucksvoll, wie eine persönliche Krise glaubhaft und ohne künstlich aufgesetztes Gezeter zu meistern ist.
Neben dem frisch wirkenden Setting ihres neusten Falls ist auch das der Grund, warum die beiden Urgesteine nach wie vor in unserem Video der besten „Tatort“-Teams nicht fehlen dürfen:
Worum geht es im „Tatort: Messer“?
Küchenchef André Brauer ist ein übergriffiger Sadist, der seine Angestellten je nach Geschlecht entweder quält oder sexuell belästigt. Als nach einer durchzechten Nacht seine erstochene Leiche gefunden wird, ist die Liste der Verdächtigen entsprechend lang. Doch wer hat das Küchenmesser wirklich zweckentfremdet und zugestochen?
Mit offenen Karten spielt niemand, zu sehr ist die Brigade des Restaurants „Efeukron“ darauf getrimmt, den Laden bis zur völligen Selbstaufgabe am Laufen zu halten. Nur Ex-Junkie Ratte, der Halbbruder von Souschef Lars, gibt der Polizei einen kleinen Einblick in den Kampfplatz Sterneküche, wo selbst die Benutzung eines Erste-Hilfe-Kastens als Zeichen der Schwäche verpönt ist und Schnittwunden am Herd abgebrannt werden müssen.
Ist das Drehbuch von Sarah Wassermair an dieser Stelle zu hart? Hoffentlich ja, vielleicht aber in manchen Kreisen auch nicht, was ihren „Tatort“ über weite Strecken zu einer bedrückenden Milieustudie werden lässt, in der uns die titelgebenden „Messer“ noch öfters begegnen.
Mareks „Tatort“-Kritik: Starker Krimi mit großartig aufspielendem Ensemble
Alkoholgeschwängert und voll gepumpt mit Marschierpulver wirkt es fast so, als würde die Belegschaft des „Efeukron“ nach Feierabend um ihr Leben tanzen, in Wirklichkeit ist das Streben nach dem perfekten Teller und damit der alles überstrahlenden Geschmacksexplosion die einzige Droge, der die Brigade ihr gesamtes Leben unterwirft.
„Wir sind ausreserviert“, schreit Souschef Lars der eintreffenden Polizei entgegen und weigert sich, das Restaurant zu schließen und für die Beweisaufnahme freizugeben.
Die unbedingte Überzeugung, der Arbeit alles zu unterzuordnen, wirkt dabei bestechend echt. Ebenso die innere Überforderung der von ihrem egomanischen Ehemann gedemütigten Witwe, aus der irgendwann herausplatzt, dass sie das „scheiß Restaurant“ am liebsten abfackeln würde.
Daniel Keberle und Martina Ebm spielen die beiden Gegenpole aus einer Welt, die eher an eine Kaserne als an einen Ort der Gastfreundschaft erinnert, mit einer erschreckenden Glaubwürdigkeit. Auch der Rest des hervorragend zusammengestellten Ensembles überzeugt in jeder der wie immer knapp 90 Minuten.
Da Bibi und Moritz ihre Meinungsverschiedenheiten souverän zu den Akten legen dürfen, erwartet uns an diesem Sonntag ein exzellentes Krimi-Menü, in dem von der Vorspeise bis zum Dessert alles stimmt. Auch wenn man beim Anblick hinter die Küchentür vielleicht lieber in eine ehrliche Imbissbude einkehren würde.
Der „Tatort: Messer“ wurde am Sonntag, dem 13. April 2025 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar.