Der „Tatort“ meldete sich zum Karneval 2020 mit einer ungewöhnlichen Episode aus dem Schwarzwald zurück. Am Sonntag, den 23. Februar 2020 ließen die Kommissare Tobler und Berg alle Hüllen fallen. Ob sich ihr Einsatz lohnte, erfahrt ihr in Mareks „Tatort“-Kritik zur Episode „Ich hab im Traum geweinet“.
Welche Kommissare ermitteln im „Tatort“ „Ich hab im Traum geweinet“?
Die Kommissare Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) bilden eines der jüngsten Teams unter den aktuellen „Tatort“-Ermittlern. Erst seit 2017 sind sie im Schwarzwald im Einsatz und konnten bislang vor allem mit Krimi-Dramen punkten. Besonders gelungen geriet die vierte Episode „Für immer und dich“ über die perfide Beziehung eines manipulativen Erwachsenen mit einer Teenagerin.
Auch der fünfte Fall der Freiburger Kommissare ist mehr Drama als Krimi, nähert sich seinem Thema aber weitaus weniger subtil als sein Vorgänger. Viel mehr lässt Regisseur Jan Bonny seine Figuren im Rausch der Fastnacht alle Hemmungen verlieren. Das dürfte bei manchem Zuschauer für Stirnrunzeln sorgen, schließlich sind Sex-Szenen unter Kommissaren im „Tatort“-Alltag nicht üblich.
Ob die genussvoll zelebrierte Grenzüberschreitung im Jahr 2020 noch zum TV-Skandal taugt, wird sich nach der Ausstrahlung zeigen. An Gesprächsstoff dürfte es dem Publikum nach der Sichtung von „Ich hab im Traum geweinet“ aber nicht mangeln.
Die 11 beliebtesten „Tatort“-Kommissare aus fast 40 Jahren TV-Geschichte findet ihr im Video:
Worum geht es im „Tatort“ „Ich hab im Traum geweinet“?
Volltrunken verbringen die Kommissare Tobler und Berg eine gemeinsame Nacht, die ihr Verhältnis zueinander vollkommen auf den Kopf stellt. An eine geordnete Zusammenarbeit am Morgen danach ist nicht zu denken. Die wäre allerdings dringend von Nöten, denn es gilt, einen Mord aufzuklären.
Der Karlsruher Richter Philipp Kiehl liegt erschlagen in einem Hotelzimmer. Vor seinem Tod hatte er Geschlechtsverkehr mit der Krankenschwester Romy Schindler, die in ihrem früheren Leben als Escort-Girl gearbeitet hat. Der Tote war einer ihrer besten Kunden. Ist ihr Wiedersehen noch mehr aus dem Ruder gelaufen als die Fastnacht bei der Polizei?
Mareks „Tatort“-Kritik: Interessante Ansätze verlaufen sich in der Schwarzwälder Fastnacht
1977 sorgte der spätere Hollywood-Regisseur Wolfgang Petersen mit der Episode „Reifezeugnis“ für viel Aufsehen. Er verzichtete auf einen klassischen Spannungsbogen und lieferte stattdessen das Psychogramm einer Schülerin, deren Affäre mit einem ihrer Lehrer aus dem Ruder gerät. Dass Nastassja Kinski dabei viel nackte Haut zeigte, machte den „Tatort“ seinerzeit zum TV-Skandal.
43 Jahre später fordert Regisseur Jan Bonny sein Publikum auf ähnliche Art und Weise heraus. Dabei ist die Freizügigkeit der handelnden Charaktere nicht die einzige Reminiszenz an den frühen „Tatort“-Klassiker. Die Anleihen beginnen schon beim dramaturgischen Aufbau von „Ich hab im Traum geweinet“, der lange bei seinen Figuren verweilt, bevor es überhaupt zu irgendeiner Art von Polizeiarbeit kommt.
Im Gegensatz zum „Reifezeugnis“ geht die Rechnung beim aktuellen Schwarzwald-„Tatort“ aber nur zum Teil auf. Das Zusammenspiel der Kommissare, die mit den Ereignissen der Fastnacht völlig unterschiedlich umgehen, entfaltet zwar einen gewissen Reiz, wirkt mit der Zeit aber eher ermüdend als prickelnd. Entsprechend vermag es nicht zu kaschieren, dass es der eigentlichen Kriminalgeschichte schlichtweg an Substanz mangelt. „Ich hab im Traum geweinet“ gefällt sich als sperriges Drama in ungewöhnlicher Kulisse, wäre ohne die Eskapaden seiner Kommissare aber nur ein dünner Krimi, dessen Auflösung früh auf der Hand liegt.
Unterm Strich bleibt der Versuch eines neuerlichen Tabu-Bruchs, der zwar über glaubwürdige Darsteller verfügt, zum oft wiederholten Klassiker aber kaum taugen dürfte. Wirklich spannend ist nur, wie die die Kommissare Tobler und Berg in ihrem nächsten Einsatz miteinander umgehen werden.
Die „Tatort“-Episode„ Ich hab im Traum geweinet“ wurde am Sonntag, dem 23. Februar 2020 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist danach für sechs Monate in der Mediathek als Wiederholung im Stream verfügbar. Kommende Woche geht es nach Nürnberg. Der „Tatort“ „Die Nacht gehört dir“ widmet sich zwar einem ähnlichen Thema, geht aber weitaus konventioneller in der Wahl seiner Mittel vor.