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„Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich“ (Episode 1276): Kritik

„Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich“ (Episode 1276): Kritik
© HR / Bettina Mueller

Nachdem sein letzter Auftritt an der Grenze zur Zumutung entlangschrammte, bekommt Ulrich Tukur endlich wieder einen vernünftigen Krimi spendiert, der sein Publikum zwar herausfordert, aber nicht für dumm verkauft. Warum ihm mit dem stimmigen „Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich“ der längst überfällige Befreiungsschlag gelingt, erfahrt ihr hier in der Kritik.

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Welche Kommissare ermitteln im „Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich“?

Seit 14 Jahren spaltet Felix Murot die Krimination. Manche feiern seine mitunter surrealen Grenzüberschreitungen, andere hoffen verzweifelt, dass sich möglichst wenige reguläre Teams den Exzentriker zum Vorbild nehmen. Der Wiesbadener LKA-Ermittler gefällt sich als größte Reizfigur im aktuellen „Tatort“-Portfolio, hat aber seit Jahren keinen Fall mehr abgeliefert, der diesem Ruf gerecht wird. Weder die lauwarme Doppelgänger-Charade „Die Ferien des Monsieur Murot“ noch die zähe Carpenter-Hommage „Angriff auf Wache 08“ können mit früheren Großtaten wie Dietrich Brüggemanns brüllend komischer „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Variante mithalten, vom letztjährigen Totalausfall „Murot und das Paradies“ ganz zu schweigen.

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Umso erstaunlicher, dass Ulrich Tukur ausgerechnet mit einem Kammerspiel die Wende gelingt, in dem er über die meiste Zeit gar nicht als Felix Murot zu sehen ist. Am Ende ist es aber genau dieser dramaturgische Kniff, der seinen neusten „Tatort“ davor bewahrt, im Fahrwasser seines in Eitelkeit badenden Vorgängers unterzugehen.

Auf wen wir uns im regulären „Tatort“ am meisten freuen, erfahrt ihr im Video.

Worum geht es im „Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich“?

Seit Jahrzehnten wartet Felix Murot darauf, den Kriegsverbrecher Hagen von Strelow zu verhaften, der 1944 in einem hessischen Dorf ein Blutbad anrichtete. 80 Jahre später sitzt der Überzeugungstäter als greiser Mann im Flugzeug aus Argentinien und wir erfahren, was einst passiert ist. Gemeinsam mit seinem Vorgesetzten Rother, ebenfalls verkörpert von Ulrich Tukur, soll der junge Adjutant den Mord an einem Spion aufklären und gerät dabei an entscheidende Dokumente über die geplante Invasion der Alliierten.

Strelow will die Schriftstücke nach Berlin bringen und dadurch zum Helden avancieren, ein Vorhaben, für das dem strammen Nationalsozialisten jedes Mittel recht ist. Rother hingegen sehnt das Ende des Krieges herbei und versucht, die Arbeit seines Assistenten zu sabotieren. Das bleibt nicht ohne Folgen.

Mareks „Tatort“-Kritik: Ein Murot-Krimi kann auch eine berührende Geschichte erzählen

Das Dritte Reich in der Nussschale eines Dorfes mitten in der Pampa, bespielt von Deutschlands extravagantestem Kommissar, der sich in jüngster Vergangenheit schon einmal als Mörder von Adolf Hitler und damit als Retter der Menschheit inszenierte: Der „Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich“ hätte in vielerlei Hinsicht scheitern können, doch die Drehbuchautoren Michael Proehl und Dirk Morgenstern tappen nicht in die Falle, ihren Kommissar in einer neuerlichen Zeitschleife in die Vergangenheit reisen zu lassen und ihn als 1940er-Jahre-Variante seiner selbst zum Widerstandskämpfer zu überhöhen.

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Vielmehr ist die Figur des Sonderermittlers Rother ein eigenständiger Charakter, in den man von der heimischen Couch aus viel hineininterpretieren kann. Wie er zu seinem Posten und seinen Orden kam, bleibt bewusst offen, genauso wie seine eigentliche Haltung zum Regime und die Beweggründe für sein Handeln. Ulrich Tukur verkörpert Friedrich Rother ohne die bekannten Murotschen Manierismen, sein zurückgenommenes Spiel macht klar, dass die eigentliche Kriminalgeschichte dieses „Tatorts“ nicht bloß eine weitere Spinnerei ist, die hauptsächlich dazu dienen soll, vertraute Sehgewohnheiten am Sonntagabend anzugreifen.

Wendungsreich, spannend und vor allem erschreckend zeichnet „Murot und das 1000-jährige Reich“ das Bild einer Dorfgemeinschaft, in der die jahrelange nationalsozialistische Propaganda tiefe Spuren hinterlassen hat. Trauen kann hier niemand niemandem, der Zivilisationsbruch ist auch im vermeintlichen Idyll längst vollzogen. Die stimmige, lediglich beim jungen Hagen von Strelow etwas zu stereotype Figurenzeichnung und das überzeugende Spiel seines treffend besetzten Ensembles, aus dem Cornelius Obonya als undurchsichtiger Philosoph herausragt, verwandeln den neusten Murot-„Tatort“ in einen berührenden Thriller, den man in dieser Form nicht erwarten konnte. Einschalten dürfen entsprechend auch diejenigen, die mit Ulrich Tukur am Sonntagabend normalerweise wenig anfangen können.

Der „Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich“ wurde am Sonntag, dem 20. Oktober 2024 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist jetzt in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar.

„Tatort“-Quiz: Wie gut kennt ihr den Krimi-Dauerbrenner wirklich?

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