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„Tatort: Nichts als die Wahrheit“ (Episoden 1231 & 1232): Kritik

„Tatort: Nichts als die Wahrheit“ (Episoden 1231 & 1232): Kritik
© rbb / Marcus Glahn

Sieben Jahre bildete Mark Waschke mit seiner Filmpartnerin Meret Becker das aufregendste aller „Tatort“-Gespanne, nun tritt Kinostar Corinna Harfouch ihren Dienst an der Spree an. Warum die Doppelfolge zwar überzeugt, ihr Potential aber nicht gänzlich ausschöpft, erfahrt ihr in Mareks Kritik zur zweigeteilten Episode „Nichts als die Wahrheit“.

Welche Kommissare ermitteln im „Tatort“„Nichts als die Wahrheit“?

In einem grandiosen Solo von Hauptdarsteller Mark Waschke verarbeitete Robert Karow zuletzt den Tod seiner Kollegin Nina Rubin, mit der er weit mehr als nur ein Arbeitsverhältnis pflegte. Darüber hinaus musste er sich einem längst verdrängten Schlüsselerlebnis seiner Kindheit stellen, ein dramaturgischer Kniff, der in den meisten anderen Krimis am Sonntagabend zum Scheitern verurteilt ist. Im Berliner „Tatort“ funktionierte er allerdings blendend, auch weil die Lebensgeschichte des Kommissars von Anfang stimmig mit den eigentlichen Kriminalfällen verknüpft wurde. Umso überraschender, dass sie beim Neuanfang vorerst keine Rolle spielt.

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Fast schon handzahm begrüßt Robert Karow seine neue Kollegin Susanne Bonard und harmoniert mit der ehemaligen Dozentin auf Anhieb. Und das, obwohl die frühere LKA-Größe seit Jahren nicht mehr als Kommissarin tätig war und nicht gerade die souveränste Figur im Umgang mit der widererlangten Dienstwaffe abgibt. Im Zusammenspiel mit Corinna Harfouchs Vorgängerin Meret Becker wäre ein solch humanes Verhalten sicher nicht möglich gewesen, doch der Ton in der Hauptstadt ist ein anderer geworden. Das liegt auch daran, dass die neue Kollegin über ein (noch) intaktes Familienleben verfügt, inklusive verständnisvollem Ehemann und sympathischem Nachwuchs. Eine Wohltat, wenn man sich die vielen künstlich verkorksten Familiengeschichten auf anderen Revieren vor Augen führt, etwa vor einer Woche in einer völlig vergurkten Bremer „Fast & Furious“-Variante. Dennoch hätte ein bisschen mehr Biss nicht schaden können.

Interessante Fakten über den „Tatort“ findet ihr im Video.

Worum geht es im „Tatort“„Nichts als die Wahrheit“?

Dass sich die junge Streifenpolizistin Rebecca Kästner vor den Augen ihres vierjährigen Sohnes umgebracht haben soll, mag Robert Karow nicht glauben und beginnt, sine Fühler in alle Richtungen auszustrecken. Dabei findet er er heraus, dass die Tote kurz vor ihrem Ableben mit der renommierten Dozentin Susanne Bonard telefonierte, die kurze Zeit später leibhaftig vor ihm steht und dem verdutzen Kommissar eröffnet, fortan an seiner Seite zu ermitteln.

Nachdem sie rechtsextreme Tendenzen an der Polizeiakademie öffentlich machen wollte, wurde ihr die Pensionierung nahe gelegt, was die engagierte Akademikerin als persönlichen Angriff wertet. Aber das ist noch nicht alles. Rebecca Kästner wollte sich ihr anvertrauen und sprach aufgewühlt von einer großen Sache, auf die sie gestoßen sei, doch Bonard zeigte sich unbeeindruckt und wies die Schutzpolizistin kühl ab, ein Fehler, den sie nun an der Seite von Robert Karow wieder gut machen möchte. Schnell wird beiden klar, dass Rebecca Kästners Verzweiflung berechtigt war und der neuste Berliner „Tatort“ wird zum Polit-Thriller über rechten Terror und die zweifelhafte Allmächtigkeit des Verfassungsschutzes.

Mareks „Tatort“-Kritik: Neues Team harmoniert gut, aber der alte Glanz fehlt

Nach dem Abgang der hausbackenen Kommissare Ritter und Stark erfand sich der Berliner „Tatort“ nicht nur dank des prickelnden Zusammenspiels von Mark Waschke und Meret Becker neu, er verstand es auch, die Hauptstadt in all ihrer diffusen Widersprüchlichkeit zu nutzen und machte sie damit zur dritten Hauptdarstellerin. Davon ist bei Corinna Harfouchs Einstieg leider nichts zu spüren, der Fall um rechte Kräfte bei Polizei und Verfassungsschutz könnte auch in Frankfurt am Main oder irgendeiner anderen Großstadt spielen.

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Dass ausgerechnet der seelenlos dahingeklatschte Potsdamer Platz als einzige Außenkulisse eine nennenswerte Rolle einnimmt, ist bezeichnend für die erstaunlich sachliche Tonalität des „Tatorts“, die den sonst so schillernden Robert Karow mit angezogener Handbremse agieren lässt. Natürlich wäre es fatal, ihm einfach einen Klon von Nina Rubin an die Seite zu stellen, dennoch fühlt sich der neuste Berliner Krimi streckenweise so an wie eine Currywurst aus dem Supermarktregal, obwohl Konnopke’s Imbiss sehnsüchtig auf seine Kundschaft wartet.

Sehenswert ist der als Kampf zwischen David und Goliath angelegte „Tatort“ aber dennoch, allein schon wegen der Klasse von Mark Waschke und Corinna Harfouch. Auch die auf 180 Minuten aufgeblähte Geschichte fühlt sich keineswegs so an, als wäre sie in einer regulären Folge besser aufgehoben. Nein, „Nichts als die Wahrheit“ ist ein guter, streckenweise hochspannender „Tatort“, der anderswo sicherlich für den Höhepunkt eines Krimi-Jahres sorgen könnte. In Berlin hängt die Messlatte dank Robert Karow aber ein gutes Stück höher. Freuen wir uns also auf den nächsten Fall mit ihm und Susanne Bernard.

Die „Tatort“-Episode „Nichts als die Wahrheit“ ist eine Doppelfolge und lief am Ostersonntag sowie am Ostermontag in der ARD. Teil 1 wurde am Sonntag, dem 9. April 2023 um 20:15 Uhr ausgestrahlt, Teil 2 folgte am Montag, dem 10. April um 20:15 Uhr. Der komplette Film ist danach für sechs Monate in der Mediathek als Wiederholung im Stream verfügbar. Als nächstes geht es zu Thorsten Falke alias Wotan Wilke Möhring und seinem bislang besten Fall, dem „Tatort: Verborgen“.

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