Nachdem sich „Tatort“-Urgestein Lena Odenthal an Weihnachten durch einen trüben Krimi mühte, ging es im „Polizeiruf 110“ weitaus aufregender zur Sache. Was die Magdeburger Kommissarin Brasch zum Jahresabschluss in der Hinterhand hält, erfahrt ihr in Mareks Kritik zur Episode „Der Verurteilte“.
Welche Kommissare ermitteln im „Polizeiruf 110“„Der Verurteilte“?
Während das Rostocker Duo Buckow und König mit Esprit um sich schmeißt als gäbe es im hohen Norden kein Morgen und auch in München ein bajuwarischer Hochkaräter nach dem nächsten vom Band fließt, fristete der Magdeburger „Polizeiruf 110“ über Jahre ein Schattendasein.
Doch ausgerechnet als Doreen Brasch zum Alleingang ansetze, platzte in der letzten Episode „Tod einer Toten“ der Knoten, was besonders deshalb bemerkenswert ist, weil der Kommissarin mit Sylvester Groth und Matthias Matschke zuvor zwei gestandene Mimen abhanden gekommen sind, an deren Fähigkeiten keine Zweifel bestehen. So richtig harmoniert hat die Figur der zähen, mitunter etwas unnahbaren Kommissarin mit ihren Partnern allerdings nie.
Nun darf Claudia Michelsen zum zweiten Mal allein ermitteln und bestätigt den Aufwärtstrend auf beeindruckende Art und Weise. Mit enormen Nehmerqualitäten glänzt sie in dem bislang besten Krimi aus Sachsen-Anhalt. Dabei kann sie sich erneut auf ein cleveres Drehbuch und erstklassige Mitspieler verlassen. Allen Zartbesaiteten sei allerdings gesagt, dass „Der Verurteilte“ nichts für schwache Nerven ist.
Ihr vermisst den „Tatort“? Eine Übersicht über unsere liebsten Kommissarinnen und Kommissare findet ihr hier.
Worum geht es im „Polizeiruf 110“„Der Verurteilte“?
Eine junge Krankenschwester wird nach einem Blind Date vermisst. Was zunächst wie Routinearbeit nach Schema F anmutet, entwickelt sich schnell zu einem perfiden Drama, in dem Doreen Brasch von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt wird. Vor Jahren brachte sie einen Mann ins Gefängnis, der seine Ehefrau getötet haben sollte.
Nun führen sie erste Spuren zum tumben Gärtner Markus Wegener, der bei seiner Befragung plötzlich angibt, er habe beide Frauen ermordet. So recht glauben mag dem so schlichten wie unbeherrschten Mann allerdings niemand, obwohl in der Nähe seiner Scheune tatsächlich Blutspuren der Vermissten sichergestellt werden können. Nachdem er sein Geständnis widerruft, kommt er wieder auf freien Fuß. Trotz anders lautender Anweisungen lässt Doreen Brasch nicht locker und riskiert Kopf und Kragen, um dem vermeintlichen Serienkiller das Handwerk zu legen.
Mareks „Polizeiruf 110“-Kritik: Tolles Ensemble lädt zum Blutgericht in Magdeburg
Nachdem sich der „Tatort“ gestern mit einer verhältnismäßig schwachen Folge vom Kalenderjahr 2020 verabschiedete, darf Claudia Michelsen nur einen Tag später eindrucksvoll unter Beweis stellen, zu was der Magdeburger „Polizeiruf 110“ fähig sein kann, wenn man ihm denn nur das richtige Personal zur Verfügung stellt. Das hört vor der Kamera auf die Namen Laura Tonke und Sascha Alexander Geršak, die zwar keine Kettensägen durch die Luft schwingen, mit ihrem bedrohlichen Spiel aber für so viel Unbehagen sorgen, dass selbst Fans von brachialen Filmen wie „Blutgericht von Texas“ zumindest nicht langweilig werden sollte.
Sowieso trumpft der letzte „Polizeiruf 110“ des Jahres groß auf. Das Drehbuch von Jan Braren ist bis in die kleinsten Details stimmig und wird von Regisseurin Brigitte Maria Bertele straff und vor allem konsequent als unangenehmer Reißer in Szene gesetzt. „Der Verurteilte“ verzichtet auf jegliches Geplänkel, platte Gags oder andere Zwischentöne, wie sie bei der Konkurrenz Gang und Gebe sind und liefert letztlich genau das, was ein gelungener Krimi am Sonntagabend zu bieten haben sollte: Packende Unterhaltung, die einen so schnell nicht vom Sofa loseist. Bleibt nur zu hoffen, dass der Magdeburger „Polizeiruf 110“ im kommenden Jahr an diese Leistung anknüpfen kann. Am nötigen Rüstzeug mangelt es an der Elbe jedenfalls nicht mehr.
Die „Polizeiruf 110“-Episode „Der Verurteilte“ wurde Sonntag, dem 27. Dezember 2020 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt und ist danach in der Mediathek für sechs Monate als Wiederholung im Stream verfügbar. An Neujahr, sprich am Freitag, dem 1.Januar 2021 übernehmen die Weimarer Lessing und Dorn mit der überraschend bedrückenden Episode „Der feine Geist“.