Die beste aktuell laufende Serie auf Disney+ geht in die nächste Runde – und zeigt sich dabei erstmals von einer ganz anderen Seite.
Als Heimat von Marvel und „Star Wars“ ist Disney+ stets eine zuverlässige Anlaufstelle für gediegene Unterhaltung. Über die letzten Monate und Jahre hat sich der Streamingdienst meiner Meinung nach aber immer häufiger von der Konkurrenz absetzen können. Titel wie „Only Murders in the Building“ und „Shōgun“ sorgen auch abseits der familienfreundlichen Inhalte für exklusive Sehgenüsse. Und wenn wir schon beim Thema Genuss sind: Mein persönliches Highlight „The Bear“ hat mit der dritten Staffel einmal mehr meine Erwartungen übertroffen. Die neuen Folgen laufen ab sofort im Stream auf Disney+.
– Dieser Artikel spiegelt die Meinung der Autorin wider und nicht zwangsweise die aller kino.de-Redakteur*innen. –
Der offizielle Trailer liefert euch einen ersten Einblick:
– Achtung: Es folgen leichte Spoiler zu Staffel 3 –
Serien-Highlight auf Disney+: „The Bear“ erfindet sich neu
Falls ihr die ersten zwei Staffeln von „The Bear: King of the Kitchen“ schon gesehen habt, könnt ihr direkt zum nächsten Absatz springen. Allen anderen lege ich ans Herz, das schleunigst auf Disney+ nachzuholen. Alternativ fasse ich euch die Handlung kurz zusammen: Nach dem Tod seines Bruders Michael (Jon Bernthal) zieht es den aufstrebenden Berufskoch Carmy (Jeremy Allen White) zurück nach Chicago. Dort übernimmt er notgedrungen den familiengeführten Sandwichladen – und fasst den Entschluss, den schmuddeligen Imbiss mitsamt der Belegschaft in ein edles Restaurant umzuwandeln. Allerdings folgt ein Tiefschlag auf den nächsten…
„The Bear“ Staffel 3 zeigt sich erstmals von einer anderen Seite und startet mit einem Rückblick, der so gediegen, detailliert und stressfrei verläuft, dass er beinahe meditativ wirkt. Ich hätte mir die erste Episode ewig in Dauerschleife angucken können – aber dann hätte ich die übrigen neuen Folgen verpasst, die mich komplett in ihren Bann gezogen haben. In Folge 2 kehren wir schließlich zurück zum üblichen Wahnsinn; und das, ohne die Küche wirklich zu verlassen.
Dennoch fällt auf: Es geht nicht mehr 24/7 um das Restaurant, sondern primär um die Menschen, die es am Laufen halten. Eigentlich bewegen sich die neuen Folgen lediglich über einen Zeitraum von wenigen Tagen. Zwischen den Handlungssträngen der Gegenwart tauchen wir jedoch immer wieder in die Vergangenheit der Charaktere ein, die mir damit nur noch mehr ans Herz gewachsen sind. Jede einzelne Geschichte berührte mich auf unterschiedlichste Weise, doch zwei Komponenten einte alle Schicksale: Sie waren deprimierend und dabei so wunderbar ehrlich, dass aus dem Schmerz stets ein Funken Hoffnung heranreifen konnte.
Ganz nah dran: „The Bear“ balanciert zwischen Stress und Komfort
Jede einzelne Figur wuchs auf ihre Weise über sich hinaus – und daran hat sich „The Bear“ selbst ein Beispiel genommen. Wer die Serie kennt, weiß, dass sie für gewöhnlich über Stress, Anspannung und ausartende Wortgefechte definiert wird. Das ist auch in den neuen Folgen nicht anders. Jedoch unterbrechen berührende, bodenständige Dialoge immer wieder aufbrodelnde Situationen und machen es damit möglich, durchzuatmen.
In diesen Minuten hat mir „The Bear“ immer wieder den Spiegel vorgehalten und mich daran erinnert, wie wichtig es ist, auf sich selbst und vor allem auf das Umfeld, unsere Liebsten, zu achten – und dass im Grunde jeder Mensch nur mit Wasser kocht. Dann wiederum ein harter Schnitt: Es gelingt der Serie, in Sekundenbruchteilen von geborgener Ruhe zurück zu unfassbarer Belastung zu springen. Und daran ist vorrangig die hervorragende Musikauswahl beteiligt, die unsere Sehgewohnheiten steuert und gern mal auf den Kopf stellt.
Ebenso bemerkenswert setzt „The Bear“ die Bildebene ein. Denn das Auge isst bekanntlich mit. Neben dem rasanten Bildwechsel spielt die Kamera mit dem Fokus und repliziert damit die Auswirkungen von Stress auf die Sehfähigkeit bis hin zu Schwindel. Der Bildschirm wird hauptsächlich durch Nah-, Groß- und Detailaufnahmen dominiert. Nur ganz selten sehen wir eine totale oder halbtotale Einstellung. Dadurch manifestierte sich von Folge zu Folge bei mir das Gefühl, als sei ich selbst in der Küche, als würde ich mit am Tisch sitzen – als wäre ich nie weit weg vom Geschehen. Umso schmerzlicher präsentieren sich die physischen Schnittwunden – aber eben auch die Panikattacken und die Tränen, die mich nach der Sichtung noch nicht richtig losgelassen haben.
Fazit: „The Bear“ setzt noch einen drauf
„The Bear“ ist das Kunststück gelungen, sich vom Bildschirm einen Weg in mein Unterbewusstsein zu erschleichen. Streift der Löffel die Müslischale, denke ich an die Geräuschkulisse der Serie. Schneide ich das Gemüse fürs Abendessen, frage ich mich, ob jemals ein Mensch so erhaben mit dem Messer hantierte wie Carmy. Schlafe ich ein, rufe ich Claire (Molly Gordon) zu, dass es ihm leidtut.
Die Fortsetzung zeigt sich innovativ, behält aber die gewohnt hohe Qualität der Serie bei. Einerseits haben die neuen Folgen meinen Puls regelmäßig auf 180 getrieben, andererseits glückt in Staffel 3 der Spagat zu einem schonungslos ehrlichen Komfort-Titel, der die Schönheit des Kochens, des Essens und des Kreierens würdigt wie bisher kein anderer. Durch diesen Balanceakt hat „The Bear“ das vielleicht beste Kapitel der Dramedy hervorgebracht – und sich damit den Beinamen „King of the Kitchen“ redlich verdient. Damit bleibt mir zum Abschluss eigentlich nur eines zu sagen: Exzellent, Chef!
Alle zehn Folgen der dritten Staffel stehen euch ab sofort im Stream auf Disney+ zur Verfügung. Falls Carmy und Co. euer kulinarisches Verständnis auf eine neue Ebene gehoben haben, dürfte dieses Quiz für euch kein Problem sein, oder?