Mit einem winzigen Gegenstand gelingt es „The Last of Us“ nahezu nebenbei, Aufklärung zu betreiben. Und das ist mehr als wichtig – finden auch die Fans.
Dieser Artikel spiegelt die Meinung der Autorin wider und nicht zwangsweise die aller kino.de-Redakteur*innen.
Obwohl Ellie (Bella Ramsey) im FEDRA-Lager nicht unbedingt unzivilisiert aufgewachsen ist, lässt sie ein Gegenstand in der sechsten Episode stutzig werden – und einigen „The Last of Us“-Zuschauer*innen dürfte es ähnlich gehen. Denn das besagte Objekt gilt mit allem, was dazu gehört, bis heute als Tabuthema. Umso erfreulicher, dass sich die Serienschöpfer Neil Druckmann und Craig Manzin der Angelegenheit annehmen und damit einen Meilenstein in der Serien-Geschichte markieren. Die entsprechende Szene findet auch beim Publikum großen Anklang.
Die Periode macht auch vor der „The Last of Us“-Apokalypse nicht Halt
Als Ellie mit Joel (Pedro Pascal) in der Stadt Jackson einkehrt, wird die 14-Jährige in ein Zimmer geführt, um zu duschen und sich zu erholen. Neben einem Stapel frischer, wintertauglicher Kleidung findet Ellie einen kleinen Gegenstand auf ihrem Bett, den sie verwundert unter die Lupe nimmt. Erst die beiliegende Anleitung sorgt für Aufklärung: Es handelt sich um eine Menstruationstasse – eine Alternative zu Tampons und Binden.
Da die Zivilisation in „The Last of Us“ bereits vor 20 Jahren zusammengebrochen ist, konnten entsprechende Perioden-Hygieneartikel nicht weiter produziert werden; und Vorräte neigen sich ja bekanntermaßen irgendwann dem Ende. Dass die Menstruationstasse in der post-apokalyptischen Welt als wiederverwendbare Lösung für Mädchen, Frauen und Menstruierende herhalten muss, ist an dieser Stelle mehr als logisch.
Alles andere als logisch erschien es in der Film- und Serienwelt bisher allerdings, die Periode überhaupt zu thematisieren. Der (weibliche) Zyklus gilt in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts immer noch als etwas, über das man öffentlich nicht spricht – geschweige denn Bilder davon in die Unterhaltungsbranche einfließen lässt. Dabei wäre es gerade das, was es zur Aufklärung bräuchte.
Umso fröhlicher stimmte die besagte Szene das „The Last of Us“-Publikum. Viele Zuschauer*innen bekundeten ihren Zuspruch auf Twitter:
„Ich mag es sehr, wie ‚The Last of Us‘ Periodenprodukte aufgreift. Als wären sie einfach da. Existierend. Ich habe noch nie zuvor eine Periodentasse in einer Serie gesehen.“
„Ellies Menstruationstassen-Szene war so wichtig für mich.“
„Als Gynäkologin und Fan der Serie liebe ich es, dass ‚The Last of Us‘ eine Menstruationstasse eingebaut hat. Periode. (Das Wort ‚period‘ bedeutet im Englischen auch so viel wie ‚Basta‘, Anm. d. Red.)“
„Wie glücklich es mich gemacht hat, Ellie und ihre Menstruationstasse zu sehen. Mitten in der Apokalypse war der Zugang zu solch grundlegenden Produkten wie Tampons für sie eine Odyssee. Wie cool, dass die Serie ein so wichtiges Thema wie dieses anspricht.“
Auch Serienschöpfer Craig Mazin äußerte sich im Interview mit Vulture zu der Bedeutung der Szene:
„In einer Post-Apokalypse ist es ärgerlich, mit so etwas umgehen zu müssen und gleichzeitig nur wenige Optionen zu haben. Warum sollten wir das nicht zeigen? Besonders, weil unsere Co-Hauptfigur ein 14-jähriges Mädchen ist. Das ist Teil ihres Lebens!“
Jede dritte Person fühlt sich während der Periode „unrein“
Die Periode steht zu Unrecht für Unsauberkeit und löst bei vielen allein schon vom Hören puren Ekel aus. Dass sich jeder Mensch mit Gebärmutter einmal im Monat damit auseinandersetzen muss und sich womöglich rund sieben Tage für das Geschehen im Unterleib und in der Unterhose schämt, wird dabei gern ignoriert. Und das führt letztendlich dazu, dass sich laut einer Umfrage von Plan International noch immer 35 Prozent der Befragten für ihre Periode schämen. Gar 62 Prozent finden es unangenehm, Termine aufgrund von Menstruationsbeschwerden zu verschieben oder abzusagen.
Doch die Umfrage beleuchtet nicht nur die Seite der Menstruierenden: So gaben 79 Prozent der befragten Männer an, schon einmal einen „blöden Spruch“ über die Menstruation gemacht oder so etwas zumindest im Freundeskreis mitbekommen zu haben. Da wundert es wenig, dass sich jeder dritte menstruierende Mensch während der Periode als „unrein“ wahrnimmt. Dabei wären Vorurteile, die zu solch einem Bild der Selbstwahrnehmung führen, so einfach abzuschaffen, wenn die Periode als Teil des Körpers auch medial akzeptiert werden würde. Das Interesse wäre auf jeden Fall vorhanden: 60 Prozent der befragten Männer wüssten gern mehr über die Menstruation. Und genau an diesem Punkt setzt „The Last of Us“ an.
„The Last of Us“ bricht das Schweigen
Auch wenn die besagte „The Last of Us“-Szene nur wenige Sekunden lang ist, liegt der Fokus doch ganz klar auf der Menstruationstasse und damit auf einem Problem, dem sich Mädchen, Frauen und Menstruierende seit jeher stellen müssen. Die Horror-Drama-Serie geht damit einen sehr wichtigen Schritt, dem Tabuthema Periode den Kampf anzusagen. Sich eine Woche im Monat als unhygienisch wahrnehmen zu müssen, weil es die Gesellschaft verlangt, war und ist nicht mehr zeitgemäß – und die Menstruation als Bestandteil des Alltags auch in Filmen und Serien zu integrieren, mehr als überfällig.
Deshalb möchte ich Neil Druckmann, Craig Mazin und allen Beteiligten hinter „The Last of Us“ ein großes Dankeschön aussprechen. Die Horror-Drama-Serie geht mit gutem Beispiel voran und macht damit nicht nur Platz für einen wichtigen Diskurs über die Periode, auch rückt durch diese Szene die Menstruationstasse in den Fokus. Denn man möge es kaum glauben: Nicht nur Männern, auch Menstruierenden ist dieser Gegenstand zum Teil noch ein Fremdwort. Dabei kann sich die Anschaffung vor allem in puncto Kosten lohnen, denn in der Umfrage von Plan International gaben 23 Prozent an, dass Periodenartikel eine finanzielle Belastung darstellen.
Während für Binden, Tampons und Slipeinlagen monatlich je nach Stärke und Vorlieben etwa 4 bis 15 Euro – pro Jahr also bis zu 180 Euro – draufgehen, kostet die Menstruationstasse einmalig 9 bis 25 Euro und kann bei richtiger Pflege bis zu zehn Jahre verwendet werden. Das schont nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt, denn laut Rossmann landen pro Jahr rund 40 Milliarden Wegwerf-Menstruationsprodukte im Müll.
Falls ihr jetzt mehr über Menstruationstassen erfahren wollt, findet ihr alle Antworten bei den Kolleg*innen von Desired:
„The Last of Us“ klärt auf: Wenige Sekunden, große Wirkung
An dieser Stelle möchte ich natürlich keine Werbung für Menstruationstassen machen. Grundsätzlich ist es jeder Person selbst überlassen, welche Hygieneartikel verwendet werden – beziehungsweise, ob überhaupt zu Binden, Tampons oder sonstigem „Auslaufschutz“ gegriffen wird (Stichwort „Free Bleeding“). Ich freue mich einfach darüber, dass die für mich womöglich beste Serie des Jahres mit dieser Szene einen so großen und wichtigen Schritt gegangen ist.
Wie Ellie wird das Publikum innerhalb von Sekunden an das Thema herangeführt, erfährt den berühmten „Aha-Effekt“ und wird direkt wieder in die Handlung entlassen. Die Szene ist meiner Meinung nach ein essenzieller Beitrag zur Aufklärung, der mit Vorurteilen aufräumt und gleichzeitig nicht zu viel Raum einnimmt. Das ist nicht nur sehr geschickt gelöst, sondern auch ein Zeichen dafür, dass Ekel und Scham vor der Menstruation im Jahr 2023 kein Thema mehr sein müssten. Für Ellie ist es das zumindest nicht. Bleibt nur zu hoffen, dass es in unserer Gesellschaft nicht erst eine Cordyceps-Pandemie braucht, ehe das in allen Köpfen verankert ist.
Falls ihr die besagte Szene noch nicht gesehen habt, könnt ihr das auf Sky und WOW nachholen. Wie gut ihr euch mit „The Last of Us“ und dem zugrunde liegenden Videospiel auskennt, könnt ihr im Quiz beweisen: