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12 Jahre voller Leidenschaft: Darum sollten auch ehemalige „The Walking Dead“-Fans das Finale sehen

12 Jahre voller Leidenschaft: Darum sollten auch ehemalige „The Walking Dead“-Fans das Finale sehen
© IMAGO / Cinema Publishers Collection / Gene Page / AMC

In zwölf Jahren, 177 Episoden und elf Staffeln hat sich „The Walking Dead“ an der Spitze des Zombie-Genres etabliert. Doch viele Fans warfen frühzeitig das Handtuch. Vielleicht zu Unrecht?

Dieser Artikel spiegelt die Meinung der Autorin wider und nicht zwangsweise die aller kino.de-Redakteur*innen.

Im zarten Alter von 16 Jahren bin ich dem Hype der Untoten verfallen und bis heute nicht davon losgekommen. Nur zu gut erinnere ich mich an die Nächte, in denen ich „The Walking Dead“-Folgen gegen Schlaf eintauschte. Man sollte meinen, dass das nunmehr zwölfjährige Bestehen der Serie für sich spricht, wenn es um den Erfolg der Zombie-Saga geht. Viele (ehemalige) Fans haben „The Walking Dead“ mit der Zeit allerdings abgeschworen. Nun, da die Serie mit der elften Staffel zu Ende gegangen ist, bin ich froh, mich nicht dazuzählen zu müssen.

„The Walking Dead“ seht ihr im Stream bei Disney+

„The Walking Dead“ spaltet die Fans

Laut Statista haben die Publikumszahlen von „The Walking Dead“ in den USA drastisch abgenommen: Sahen noch 18 Millionen Zuschauer*innen das Finale der sechsten Staffel, fanden an Staffel 10 nur 2,93 Millionen Menschen Gefallen – Tendenz stetig fallend. Und auch das deutsche Publikum zeigte sich mittlerweile nicht mehr ganz so begeistert. „Ich kann The Walking Dead leider einfach nicht mehr ernst nehmen“ (via Twitter) oder „Man will eigentlich seit der 6. Staffel, dass die Serie aufhört, sie wird auch immer schlechter“ (via Twitter) heißt es aus den Reihen der Fans.

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„Zu eintönig“, „zu langweilig“ oder „unnötig brutal“ – diese Stimmen höre ich häufiger in meinem Bekanntenkreis, während bei mir allein das Wort „Beißer“ für strahlende Augen sorgt. Ich muss zugeben, dass ich jedem Kritikpunkt etwas abgewinnen kann. Aber bei zwölf Jahren Sendezeit halte ich eine gewisse Kompromissbereitschaft für angebracht.

Natürlich werden einige Handlungsstränge auch aus meiner Sicht unnötig in die Länge gezogen. Allein der Weg nach Terminus wirkte mit insgesamt 702 Minuten schon relativ beschwerlich. Und dass es nicht jedem gefällt, wie Rick Grimes (Andrew Lincoln) seinem Feind Joe (Jeff Kober) im Finale der vierten Staffel die Kehle aus dem Hals beißt, kann ich auch verstehen. Als großes Ganzes betrachtet ist die Terminus-Staffel für mich dennoch eine der besten, weil sie beweist, wie weit Rick bereit war zu gehen, um seine Liebsten zu retten, obwohl ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Hände gebunden waren.

Lucille schlug Begeisterung zu Brei

Trotzdem hatte auch ich ehrlich gesagt zwischenzeitlich den Gefallen an „The Walking Dead“ verloren. Nach dem Tod von Glenn (Steven Yeun) ging es für mich bergab. Mit einem stetigen Kopfschütteln musste ich zusehen, wie es Negan (Jeffrey Dean Morgan) immer wieder gelang, einen Keil zwischen meine Held*innen zu treiben. Viele Entscheidungen waren aus meiner Sicht einfach nicht mehr nachvollziehbar.

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Wie konnte Carl (Chandler Riggs) einen Draht zu Negan aufbauen, obwohl er doch Glenn das Leben genommen hat? Wieso waren immer vereinzelte Personen der Meinung, im Alleingang den erhofften Unterschied zu bewirken, nachdem doch sechs Staffeln eindringlich bewiesen haben, dass Zusammenhalt in der Zombie-Apokalypse essenziell ist? Und woher kam plötzlich die Masse an Gemeinschaften, nachdem Rick und Co. monatelang durch die Wälder streiften, ohne einer Gruppe zu begegnen?

Trotz meines Ärgers habe ich jedes Mal wieder eingeschaltet, wenn sich die Serie aus der Sendepause zurückmeldete. War es Nostalgie oder die Hoffnung darauf, dass die Qualität der Story irgendwann wieder bergauf gehen könnte? Vermutlich eine Mischung aus beidem. Besonders Letzteres sehe ich aber tatsächlich aus folgenden fünf Gründen bestätigt:

1. Aus Hass wird Bewunderung: Negan, der Antiheld

Ich schwöre, ich wollte Negan hassen. Ich wollte es wirklich! Doch mit der Zeit gelang es „The Walking Dead“, einen barbarischen Mörder zu einem Antihelden avancieren zu lassen. Zwar war Negans Führungsstil bei den Saviors von Gewalt, Brutalität und Autorität geprägt, letztendlich stand das Wohl seiner Gemeinschaft für ihn aber immer an erster Stelle. Hätte Daryl (Norman Reedus) im Auftakt der siebten Staffel nicht rebelliert, hätte Negan nicht erneut zum Schläger greifen müssen. So hart es klingt: Im Grunde musste er an dieser Stelle seinen Worten Taten folgen lassen (Sorry, Glenn).

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Nach dem Untergang der Saviors überraschte Negan immer wieder mit Weisheit, Gnade und Rationalität. Jede Handlung wusste er fundiert zu begründen und konnte damit eine enge Bindung zu Judith (Cailey Fleming), Lydia (Cassady McClincy) und sogar Carol (Melissa McBride) aufbauen. Sein Rachefeldzug gegen Alpha (Samatha Morton) und die Whisperer in Staffel 10 ist wohl der Hauptgrund dafür, dass wir uns noch nicht frühzeitig von einigen Serienlieblingen verabschieden mussten.

Spätestens die Episode „Hier kommt Negan“ dürfte aber wohl jedem zeigen, weshalb Negan zu einem grausamen Anführer wurde, aber trotzdem mehr ist als ein keulenschwingender Mistkerl. All das wäre mir verborgen geblieben, wenn ich nach der siebten oder achten Staffel nicht mehr eingeschaltet hätte.

2. Von „Tatsächlich… Liebe“ zum Zombie-Massacker

Dass „The Walking Dead“ Eindrücke innerhalb kürzester Zeit um 180 Grad drehen kann, hat die Serie mit Negan mehr als genug bewiesen. Was aber auch nicht außer Acht zu lassen ist, ist der Werdegang des einstigen Hauptdarstellers Andrew Lincoln. Bevor er als Rick Grimes die Welt der Untoten unsicher machte, sahen wir den Briten in romantischen Komödien wie „Tatsächlich… Liebe“ und „Der Auftragslover“. Dieser Fakt machte es zu Beginn von „The Walking Dead“ etwas befremdlich, ihn in Gegenwart von bluthungrigen Monstern zu sehen.

Mittlerweile ist es für mich aber umgekehrt. Läuft beim Durchschalten zufällig „Tatsächlich… Liebe“ im TV, warte ich kurz, ob gleich Zombies um die Ecke gestolpert kommen. Diesen Sprung im Kopf der Zuschauer*innen hinzubekommen, hat „The Walking Dead“ mit Bravour gemeistert. An dieser Stelle also einmal Hut ab an die Serienschöpfer, dass sie den komödiantischen Romantiker zum zombiejagenden Sheriff haben werden lassen und nicht eine Sekunde an ihrer Entscheidung gezweifelt haben.

3. Nach dem Verschwinden von Rick: Figuren entwickeln Charakter

Lange Zeit war Rick als Hauptfigur in „The Walking Dead“ unentbehrlich. Zwar ist mittlerweile eine Spin-off-Serie über die Hintergründe seines Verschwindens in Planung, dennoch musste die Serie seit Mitte der neunten Staffel ohne den charismatischen Sheriff auskommen. Tatsächlich hat das der Serie in meinen Augen aber alles andere als geschadet, denn über die Jahre haben andere Figuren bewiesen, dass ihnen ein erzählenswerter Charakter zugrunde liegt.

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Sei es Maggies (Lauren Cohan) Kampf mit der Trauer, Gabriels (Seth Gilliam) Glaubensverlust oder Lydias Wunsch nach Anerkennung; „The Walking Dead“ hat Nebendarsteller*innen zu Hauptfiguren werden lassen und ist damit von einem Muster abgewichen, das die Serienwelt über Jahrzehnte prägte.

4. „The Walking Dead“-Intro ist besser gealtert als Käse und Wein

Mit 36 Sekunden Laufzeit animiert der Vorspann der Zombie-Serie ab einem gewissen Punkt dazu, zur Fernbedienung zu greifen und „Intro überspringen“ auszuwählen. Für mich ist dieser Einstieg aber nicht nur stets an der perfekten Stelle platziert, sondern auch mit Charme gealtert. Hier wurden nicht etwa lieblos Szenen der jeweiligen Staffel aneinandergeschnitten; mit aufwendigen Animationen und verspielten Zeichnungen erzählt das Intro einer jeden Staffel eine ganz eigene Geschichte. So viel Aufwand für einen Teil der Folge zu betreiben, der vom Großteil des Publikums blind übersprungen wird, zeugt von einer Leidenschaft für Details, die sich wahrlich nicht viele Serien auf die Fahne schreiben können.

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5. „The Walking Dead“ hat den Weg für den aktuellen Zombie-Hype geebnet

Als sich „The Walking Dead“ als Serienadaption der gleichnamigen Comics von Robert Kirkman in der Planung befand, glaubte wohl niemand, dass die Welt noch eine Zombie-Geschichte bräuchte, die sich dann auch noch zwölf Jahre lang halten würde. Diesem Gedanken musste sich Kirkman bereits stellen, als er sein erstes Comicbuch unter Vertrag bringen wollte. Tatsächlich musste er zu einer Lüge greifen, um seine Idee erfolgreich zu pitchen. So erzählte er den Verantwortlichen von Image Comics, dass in „The Walking Dead“ alles auf eine Alieninvasion hinauslaufe (via Comicbook).

Nur vier Jahre später haben seine Comics ein Serienimperium aufgebaut, das dem Zombie-Genre neuen Aufschwung verliehen hat. „The Walking Dead“ kann mit „Fear The Walking Dead“ und „The Walking Dead: A World Beyond“ schon jetzt auf zwei Spin-offs blicken, weitere Serien und Filme aus dem Zombie-Universum sind bereits in Planung, wie dieses Video verrät:

Doch auch abseits von Rick, Maggie und Co. hat „The Walking Dead“ dem Horror-Genre neuen Aufschwung verliehen. Seit Serienstart im Jahr 2010 erleben die blutdurstigen Untoten einen wahren Boom der Ekstase. Seien es Titel wie „iZombie“, „Black Summer“ oder der Netflix-Erfolg „All Of Us Are Dead“; sie alle schwimmen im Strom von „The Walking Dead“.

Natürlich lässt sich an dieser Stelle nicht mit Sicherheit behaupten, dass keiner Zombie-Serie ohne „The Walking Dead“ der Durchbruch gelungen wäre. Wie allerdings schon Robert Kirkman feststellen musste, war die Welt der Kulturschöpfenden vor der Zombie-Serie weit davon entfernt, dem Genre eine erfolgsversprechende Chance zuzumuten. Womöglich wären die Ideen also noch im Keim erstickt worden, wenn nicht ein weiser Comiczeichner einst zu einer Lüge gegriffen hätte…

Das große „The Walking Dead“-Quiz: Erreicht ihr 12 von 15 Punkte?

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