Wer glaubt, in 13 Jahren „The Walking Dead“-Geschichte bereits alles gesehen zu haben, wird im neuen Spin-off um Daryl Dixon eines Besseren belehrt.
Wenn uns das „The Walking Dead“-Universum nach der Comicvorlage von Robert Kirkman eines gelehrt hat, dann ist es definitiv der Leitsatz „Fight the dead, fear the living“ (zu Deutsch: „Bekämpfe die Toten, fürchte die Lebenden“). Mit „The Walking Dead: Daryl Dixon“ lässt Hauptdarsteller Norman Reedus diese post-apokalyptische Weisheit des Zombie-Franchise noch einmal aufleben – und schenkt uns gleichzeitig einen ganz neuen Blickwinkel.
Dieser Artikel spiegelt die Meinung der Autorin wider und nicht zwangsweise die aller kino.de-Redakteur*innen.
Das „TWD“-Spin-off um Titelheld Daryl Dixon ist seit dem 8. Dezember 2023 exklusiv bei MagentaTV zu sehen. Wer nicht an einem Abo des Telekom-Streamingdienstes interessiert ist, hat aber noch andere Optionen. Beispielsweise könnt ihr euch die Serie schon ab dem 13. Februar 2024 als Blu-ray oder DVD nach Hause holen. Wir verraten euch im Folgenden, wieso uns „Daryl Dixon“ sogar noch besser gefällt als das Original – natürlich ohne Spoiler. Falls ihr euch einen ersten eigenen Eindruck verschaffen wollt, seht euch an dieser Stelle gern den Trailer an:
Über elf Staffeln hinweg folgte „The Walking Dead“ stets dem gleichen Erfolgskonzept: Während die Untoten als Gefahr immer weiter in den Hintergrund rückten, mussten sich die Überlebenden um Rick Grimes (Andrew Lincoln), Maggie Rhee (Lauren Cohan), Daryl Dixon und Co. regelmäßig neuen Gegner*innen stellen, die es auf Territorien, Ressourcen und Macht abgesehen hatten. Zwar konnten die Verantwortlichen der Serie dabei regelmäßig neue Ideen aus dem Hut zaubern, zwischenzeitlich schlich sich trotzdem gelegentlich eine gewisse Eintönigkeit ein.
Davon ist der kommende Ableger glücklicherweise meilenweit entfernt. Serienschöpfer David Zabel ist das Kunststück gelungen, eine ganz neue Welt zu kreieren, in der sich sowohl neue als auch alteingesessene Fans willkommen fühlen. Gemeinsam mit Daryl schlägt sich das Publikum durch eine Wand des Unbekannten, wobei die Suche nach einem Weg in die Heimat oberste Priorität hat – zumindest vorerst.
Das ist „The Walking Dead“ nie gelungen: Spin-off führt uns in Daryls Gefühlswelt ein
In insgesamt sechs Episoden präsentiert uns „The Walking Dead: Daryl Dixon“ innovative Geschichten, die mir persönlich mehr ans Herz gegangen sind als alles, was bisher in dem Zombie-Franchise geschehen ist. Das ist vor allem Hauptdarsteller Norman Reedus zu verdanken, der uns in dem Spin-off ganz neue Facetten des Titelhelden offenbart.
Zwar ist Daryl zweifelsohne einer der Charaktere, die im Original eine gigantische Wandlung durchgemacht haben, doch wirklich nahbar war er für mich nie – zumindest nicht auf emotionaler Ebene. Statt großer Worte ließ Daryl lieber Taten sprechen, blieb dabei aber stets distanziert. Selbst seinen engsten Vertrauten Carol (Melissa McBride) und Connie (Lauren Ridloff) war er oft ein Rätsel. Dieser mysteriösen Aura ist es wohl auch zu verdanken, dass sich Daryl bereits zum „The Walking Dead“-Auftakt im Jahr 2010 als Publikumsliebling etablieren konnte.
War sein Überlebenskampf bis dato sowohl in der Gemeinde als auch im Alleingang ein voller Erfolg, weht für ihn in „The Walking Dead: Daryl Dixon“ ein anderer Wind. Als Gestrandeter an der Küste Frankreichs ist Daryl nun plötzlich auf die Hilfe völlig Fremder angewiesen. Und um deren Vertrauen zu gewinnen, muss er lernen, sich zu öffnen.
Rundum stimmig: „Daryl Dixon“ hat an alles gedacht
In Anbetracht dessen, wie wenig wir eigentlich in „The Walking Dead“ über den Überlebenskünstler und seine Vergangenheit erfahren haben, ist es erstaunlich, wie viel Daryl schon nach kürzester Zeit gegenüber Schwester Isabelle (Clémence Poésy) und dem Wunderknaben Laurent (Louis Puech Scigliuzzi) von sich preisgibt. Ist es der Wunsch, sich doch irgendwo heimisch zu fühlen? Die bedingungslose Ehrlichkeit, die ihm die Augen beider versprechen? Oder die Gewissheit, sie nach seiner Heimreise sowieso nie mehr wiederzusehen? Vermutlich weiß Daryl es selbst nicht – und das ist auch genau richtig so. Schließlich entspringen die aufrichtigsten Schritte einem Pfad von Gefühlen und Instinkten.
Diese emotionale Wandlung führt dazu, dass mir Daryl als Figur noch einmal ganz anders aufs Gemüt schlägt. Vorbei ist es mit hitzigen Diskussionen, harschen Kurzschlussreaktionen und reservierten Blicken zwar noch nicht, dennoch kehrt Daryl erstmals seine sensible Seite nach außen. Schlussendlich wird er dafür mit einem Gefühl von Frieden belohnt. Fernab der Heimat war ihm nichts wichtiger, als einen Weg zurück ins Commonwealth zu finden; und trotzdem komme ich nicht um das Gefühl herum, dass sich Daryl in Frankreich zum ersten Mal wirklich akzeptiert, wertgeschätzt und zu Hause fühlt.
In Verbindung mit dem Mantra, das Daryl im Kopf begleitet – es handelt sich dabei um Judiths (Cayley Fleming) Feststellung, dass Daryl auch ein Happy End verdient habe –, wirkt das Spin-off auf mich wie eine perfekt abgerundete Reise, physisch wie psychisch.
„The Last of Us“ lässt grüßen – mehr aber auch nicht
Gleichzeitig spart „The Walking Dead: Daryl Dixon“ nicht an spannender Action und epischen Kämpfen. Dabei zeigt die Serie abermals, dass Beißer bei Weitem nicht die größte Gefahr in der post-apokalyptischen Welt sind. Zwar heben neue Zombie-Varianten die Bedrohung durch die Untoten auf ein neues Level, doch letztendlich sind es immer die Lebenden, die die wandelnden Leichen zu einem folgenschweren Risiko avancieren lassen.
Ein weiterer Punkt, den ich in dieser überschwänglich positiven Kritik nicht unerwähnt lassen möchte, sind die unerwarteten Wendungen, die die Handlung gekonnt voranzutreiben wissen. Zugegebenermaßen werden sich diejenigen, die sich „The Last of Us“ als Serie oder Spiel zu Gemüte geführt haben, gelegentlich in die Geschichte von Überlebenskünstler Joel (Pedro Pascal) und Schützling Ellie (Bella Ramsey) zurückversetzt fühlen. Aber keine Sorge: „The Walking Dead: Daryl Dixon“ steht definitiv für sich allein und wird für reichlich Abwechslung sorgen.
Kleines Manko erinnert an Anfangszeit von „The Walking Dead“
Zuletzt gelang es dem „TWD“-Franchise, mich im Kapitel rund um Alpha (Samantha Morton) zu überraschen. Danach fand die Vorhersehbarkeit Einzug in den Serien-Alltag. Das änderte sich leider auch im Spin-off „The Walking Dead: Dead City“ nicht. Betrachten wir das gesamte Zombie-Universum nach dem Vorbild von Robert Kirkman, hat „Daryl Dixon“ meiner Meinung nach in puncto Kreativität und Handlungsspielraum definitiv die Nase vorn. Obendrein weiß das Spin-off all seine positiven Aspekte filmisch in einen Stil einzubetten, der frischen Wind in die Sehgewohnheiten des Publikums bringt und gleichzeitig nicht zu weit von der Mutterserie abweicht.
Genau dort liegt aber in meinen Augen auch die einzige Schwäche der Serie: Während der Ableger um Maggie und Negan (Jeffrey Dean Morgan) optisch punkten konnte, lassen einige Animationen bei „The Walking Dead: Daryl Dixon“ eher zu wünschen übrig. Ohne zu viel zu verraten, kann ich euch versprechen: Wenn eine Explosion den Bildschirm einnimmt und Zombies aus mehreren Metern Höhe auf den Boden klatschen, schmeckt vermutlich jeder Fan einen faden Beigeschmack der ersten „TWD“-Stunde.
Davon solltet ihr euch aber keinesfalls beirren lassen. Stattdessen dürft ihr euch mit „The Walking Dead: Daryl Dixon“ auf ein Serien-Highlight des Jahres 2023 freuen, das so vielversprechend ist, dass AMC bereits vor der Streaming-Premiere grünes Licht für Staffel 2 gegeben hat. Ganz gleich, ob Daryl schon 2010 euer Herz erobert hat oder ihr ganz frisch in die Zombie-Welt gestolpert seid – ich kann euch das Spin-off nur wärmstens empfehlen.
Kleiner Tipp am Rande: Insbesondere für Episode 2, die den Titel „Alouette“ trägt, solltet ihr eine Packung Taschentücher bereitlegen. Für mich war diese Folge derart herzergreifend, dass ich sie direkt in meine persönliche Liste der besten Serien-Momente aller Zeiten aufgenommen habe. Wenn ihr euch selbst von „The Walking Dead: Daryl Dixon“ überzeugen wollt, solltet ihr jetzt bei MagentaTV einschalten. Dort könnt ihr neben „Daryl Dixon“ die Ableger „Tales of the Walking Dead“ und „The Walking Dead: Dead City“ streamen. Die Mutterserie findet ihr hingegen auf Disney+, Netflix, Joyn PLUS+ und Amazon Prime Video. Ob ihr euch gut genug mit dem Original auskennt, könnt ihr im Quiz austesten: