In zwölf Jahren Serien-Geschichte ist es „The Walking Dead“ nicht gelungen, eine große Schwäche abzuschütteln. „Dead City“ macht es nun um Klassen besser.
Obwohl „The Walking Dead“ als eine der erfolgreichsten Zombie-Serien in die TV-Geschichte eingegangen ist, weist die Produktion ein großes Manko auf, das sich wie ein roter Faden durch die 177 Episoden zieht – und bis zum Schluss nicht behoben werden konnte. Das neue Spin-off „The Walking Dead: Dead City“ könnte uns von diesem Fluch erlösen und damit einen neuen Meilenstein für das Horror-Franchise darstellen.
Dieser Artikel spiegelt die Meinung der Autorin wider und nicht zwangsweise die aller kino.de-Redakteur*innen.
So mitreißend die Handlung des Originals auch sein mag, in einem Punkt sind sich „The Walking Dead“-Fans nahezu einig: Während Make-up und Kostümdesign seit dem Serienauftakt im Jahr 2010 in der obersten Liga mitspielen, ließ die CGI-Optik (Computer Generated Imagery) bis zum Serienfinale zu wünschen übrig.
Beispiel Explosion: Am Ende schließt sich der Kreis
In der Pilotstaffel konnten viele Fans noch über die verblüffend schlecht umgesetzten Effekte in „The Walking Dead“ hinwegsehen – man denke allein an die desaströse Explosion des Seuchenkontrollzentrums in Folge 6 (die Szene könnt ihr euch im Stream auf Disney+ noch einmal zu Gemüte führen). Spätestens ab Staffel 3 hätte der zunehmende Erfolg der Serie aber auch mit optisch ansprechenderen Animationen einhergehen müssen. Zwar war über die Jahre eine Verbesserung zu erkennen, komplett überzeugen konnten mich die CGI-Bilder der Mutterserie aber nie. Das bewies zuletzt eine Feuerwalze in der letzten Episode der elften Staffel, bei der ich mich beinahe wieder in die Szene aus Staffel 1 zurückversetzt fühlte.
Wenn man jedoch bedenkt, dass AMC beinahe jährlich ein neues Kapitel mit bis zu 24 Episoden auf die Bildschirme brachte, lässt sich das durchaus verzeihen. Neben dem anfangs knappen Budget blieb den Verantwortlichen bei diesem eng getakteten Plan schlichtweg zu wenig Zeit, um größere Effekte auf Kino-Niveau umzusetzen. Darf sich ein Leinwand-Abenteuer gut und gern mehrere Jahre Zeit lassen, um einen Film von zwei bis drei Stunden an den Start zu bringen, blieb dem „The Walking Dead“-Team ein knappes Jahr für bis zu 18,5 Stunden. Darüber hinaus darf nicht außer Acht gelassen werden, dass jedes kleinste Detail durch die CGI-Abteilung lief – von den Messern, die sich in Gehirne senkten bis hin zu der Skyline am Horizont.
Und dennoch: Die teils erschreckend amateurhaften Bilder begleiteten die Mutterserie wie ein Schatten, der – je nach Budget und Zeitaufwand – mal heller und mal dunkler mitlief. Falls das für euch ein Punkt war, der wie bei mir hin und wieder für Augenroll-Momente sorgte, kann ich euch nun beruhigen. Von der für „The Walking Dead“ fast schon zum Markenzeichen gewordenen Schwäche ist in der neuen Serie „The Walking Dead: Dead City“ glücklicherweise nichts mehr zu spüren.
„Dead City“ nimmt das Beste mit – und kehrt dem Schlechten den Rücken
Dem „The Walking Dead“-Spin-off um Negan (Jeffrey Dean Morgan) und Maggie (Lauren Cohan) ist in puncto Optik ein Balanceakt gelungen, der all meine Vorstellungen übertroffen hat. Einerseits ist der Ableger dem typisch-apokalyptischen, teils trostlos wirkenden Look treu geblieben, andererseits hat Serienschöpfer Eli Jorne dem Franchise ein deutlich moderneres Ambiente verpasst. Graue Tagesszenen stehen im Kontrast zu knalligen Farben, die durch die Finsternis der nächtlichen Gefahren schimmern.
Während alteingesessenen Fans der typische „The Walking Dead“-Charme erhalten bleibt, hat sich AMC vom Animationsfluch verabschiedet und die CGI-Künste auf ein neues Level gehoben. Die Effekte wirken ausgefeilt und fügen der Serie damit meiner Meinung nach eine neue Ebene an Detailreichtum und Realitätsnähe hinzu. Dabei spielt „Dead City“ ein entscheidender Vorteil in die Karten: Das Spin-off ist auffallend düster gehalten. Dadurch lassen sich Animationen nicht nur besser kaschieren, auch heben sich die neuen Folgen damit von den üblichen Sehgewohnheiten des Publikums ab.
Im offiziellen Trailer könnt ihr euch davon selbst ein Bild machen:
Ob die Serie dieses Niveau in Zukunft halten kann, bleibt abzuwarten. „Dead City“ Staffel 2 ist zwar schon bestätigt, einen offiziellen Starttermin hat AMC aber noch nicht verkündet. Auch wenn eine Fortsetzung für Zuschauende vermutlich nie früh genug kommen kann, hoffe ich sehr darauf, dass sich das Spin-off die Zeit nimmt, weiterhin das Beste aus der Bildgewalt von Manhattan herauszuholen. In der Zwischenzeit könnt ihr euch in diesem Comic der Vorgeschichte von Negan widmen:
Doch nur aufgewärmt? Vergangenheit bricht „Dead City“-Handlung das Genick
Die Sichtung des obigen Trailers machte mir zur Veröffentlichung allerdings nicht nur Hoffnung auf einen Augenschmaus, auch keimte in mir der Gedanke auf, dass es sich bei „The Walking Dead: Dead City“ womöglich um die spannendste Geschichte des gesamten Franchise handeln könnte. Anlass dazu gab mir nicht nur die widerwillige Kooperation zwischen Negan und Maggie, sondern ebenso der Anblick des wohl gefährlichen „TWD“-Gegenspielers aller Zeiten: The Croat (Željko Ivanek).
Željko Ivanek („Hannibal“) holt so ziemlich alles an Skrupellosigkeit aus dem soziopathischen Charakter von The Croat heraus, um dem Publikum die Hölle auf Erden zu präsentieren. Im Zusammenspiel zwischen Maggie und Negan hätte ich mir jedoch ehrlich gesagt eine etwas originellere Entwicklung erhofft. Insgesamt vier Staffeln lang hat die Fehde, die auf den Mord an Maggies Ehemann Glenn (Steven Yeun) aus Staffel 7 zurückzuführen ist, in der Mutterserie für reichlich Spannung gesorgt – drohte aber schon so langsam in Staffel 11 in die Eintönigkeit abzurutschen.
Hier ist „Dead City“ in meinen Augen leider (noch) nicht die gewünschte Kehrtwende in Richtung Innovation gelungen. Das ist, wie ich finde, vornehmlich darauf zurückzuführen, dass Maggie trotz Zeitsprung zwischen „TWD“ und „Dead City“ keine Charakterentwicklung durchlaufen hat. Ganz anders Negan: Die Zeit hat seinen Überlebensinstinkt neu entfacht und ihn zurück in alte Muster fallen lassen. Wir sehen ihn eine Brutalität an den Tag legen, die er nicht einmal als Anführer der Saviors ausstrahlte – und gleichzeitig lässt sich erkennen, dass er einem strikten Kodex folgt, der ihn zumindest für gewisse Zeit im Zaum hält.
Diese Diskrepanz sorgt dafür, dass Negan das ein oder andere Mal durchaus für große Überraschungen sorgt, Maggies Handlungsstrang unterdessen jedoch sehr vorhersehbar voranschreitet. Dadurch, dass sie nach wie vor auf der Stelle steht, zeichnet sich der Serienverlauf meiner Ansicht nach sehr früh ab. Wendungen, die eigentlich für „Wow!“-Momente hätten sorgen können, versickern damit eher in einem ironischen „Wer hätte das gedacht…“
„Dead City“-Zukunft wird es zeigen: Kleine Schwächen oder größerer Plan?
Dennoch sorgt „Dead City“ durchaus für gelungene Unterhaltung im heimischen Wohnzimmer. Das Spin-off kann definitiv mit actionreichen Kämpfen, neuen ideenreichen Ansätzen und emotionalen Dialogen punkten und lohnt sich dementsprechend sowohl für alteingesessene als auch neu hinzukommende Fans. Kurzum: „Dead City“ ist ein würdiger Nachfolger, der mit der Originalserie durchaus mithalten kann – aber eben auch nicht mehr.
Womöglich war all das ohnehin erst der Anfang einer langen Reise, die alle Schwächen von „Dead City“ als Teil eines größeren Plans entlarven und das Spin-off über die nächsten Jahre an die Spitze des Horror-Genres bringen könnte. Das deutet sich zumindest am Ende der ersten Season an… Wer sich selbst von „The Walking Dead: Dead City“ überzeugen möchte, kann hierzulande exklusiv im Stream bei MagentaTV einschalten.
Falls euer Hunger nach Horror damit noch nicht gestillt ist, könnt ihr euch im Quiz euren eigenen Grusel-Schocker zusammenstellen: