Im Interview sprach „The Witcher“-Produzent Tomek Baginski über die Notwendigkeit einer vereinfachten Handlung. Schuld an dieser Misere habe das junge Publikum.
Mit den letzten Folgen von „The Witcher“ Staffel 3 Teil 2 endet Henry Cavills Zeit als Geralt von Riva auf dem namenlosen Kontinent. Es ist ein bittersüßer Moment, verkörperte er den Weißen Wolf doch mit Herzblut, Hingabe und absoluter Detailgetreue. Obwohl ihm zunächst nicht wenige absprachen, diese Figur aus den Werken des polnischen Autors Andrzej Sapkowski gebührend verkörpern zu können, eroberte er selbst die Herzen der kritischen Fans der Romanvorlage direkt mit der ersten Staffel von „The Witcher“. Cavill ist nicht ohne Grund ein großer Verehrer dieser Welt, zunächst als Fan der Videospielumsetzungen von CD Projekt RED, dann auch als Liebhaber der Romane.
Umso größer war dann das Entsetzen, als urplötzlich verkündet wurde, dass Cavill die Fantasy-Serie auf Netflix nach Staffel 3 verlassen wird. Den genauen Grund ist der 40-Jährige bis heute schuldig geblieben. Fans sind sich aufgrund älterer Interviews jedoch sicher, dass Cavill seiner Traumrolle den Rücken gekehrt haben könnte, weil sich das Team um Showrunnerin Lauren Schmidt Hissrich nicht direkt an die Vorlage gehalten hat. In einem Geeked-Interview betonte der Brite vor seinem Abgang nämlich, dass er so lange an Bord sein werde, wie sich die Fantasy-Serie an die Bücher halte.
In der Tat wurde vieles aus den Romanen weggelassen, verändert und/oder teilweise massiv vereinfacht. Das war Fans der Bücher ohnehin schon immer ein Dorn im Auge. Ohne Cavill als Geralt von Riva gibt es für viele von ihnen de facto gar keinen Grund mehr, die Serie noch weiter zu verfolgen. Das zeigt sich auch in den dramatisch gesunkenen Streamingzahlen auf Netflix. Bereits „The Witcher“ Staffel 3 Teil 1 konnte nicht mehr an die Erfolge der vorherigen Staffel anknüpfen. Mit gerade einmal 73 Millionen gestreamter Stunden innerhalb der ersten Woche fiel die Serie massiv gegenüber den rekordträchtigen 142 Millionen Streamingstunden nach gerade einmal drei Tagen bei „The Witcher“ Staffel 2 zurück. Bei „The Witcher“ Staffel 3 Teil 2 sind es gar lediglich 59 Millionen gestreamter Stunden nach knapp einer Woche (via Netflix).
Henry Cavill ist weg, weil sich die Verantwortlichen nicht an die Romane halten, das Publikum ist weg, weil sich die Verantwortlichen nicht an die Romane halten: Also warum verändern Hissrich und ihr Team überhaupt so viel? Darauf hat Produzent Tomek Baginski eine Antwort, eine, die den Fans nicht gefallen wird. Im Gespräch mit Wyborcza (via Redanian Intelligence) nannte er das weltweite, in erster Linie jedoch das US-amerikanische Publikum als Grund für die Simplifizierung der Handlungsstränge und der Charaktere:
„Wenn eine Serie für eine große Masse an Zuschauer*innen mit unterschiedlichen Erfahrungen und aus verschiedenen Teilen der Welt gemacht wird und ein großer Teil davon US-Amerikaner*innen sind, dann sind diese Vereinfachungen nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Es ist schmerzhaft für uns – und auch für mich –, aber eine höhere Ebene an Nuancierung und Komplexität wird eine geringere Reichweite haben, sie wird die Menschen nicht erreichen. Manchmal geht es unter Umständen zu weit, aber wir müssen diese Entscheidungen treffen und sie akzeptieren.“
Falls ihr jetzt lieber eine andere Fantasy-Serie schauen wollt, dann haben wir im Video einige Tipps für euch parat.
„The Witcher“-Produzent: Junge Leute haben eine mangelnde Aufmerksamkeit
Die Änderungen seien aber nicht nur allein der Tatsache geschuldet, die komplexe Welt des namenlosen Kontinents auch einem US-amerikanischen Publikum schmackhaft zu machen, sondern auch eine Art Zugeständnis an die rasant veränderten Sehgewohnheiten der jüngeren Generationen, betonte Tomek Baginski in einem älteren Interview:
„Das Publikum ändert sich…[…] Es ändert sich alles. Ich sehe die Prozesse, über die Jacek Dukaj in seinem Buch ‚After the Script‘ geschrieben hat. Wir verabschieden uns von Ursache-Wirkungs-Ketten, von der linearen Erzählung, dieser buchartigen Erzählweise. Wenn es um Serien geht, ist die Logik der Handlung umso weniger wichtig, je jünger das Publikum ist. Diese Leute sind mit TikTok und YouTube aufgewachsen, sie springen von Video zu Video.“
Selbstverständlich ist es klar, dass eine Roman-Adaption niemals den Detailgrad und die Tiefe der Vorlage erreichen kann, jedoch lassen sich nicht alle Änderungen bei „The Witcher“ allein darauf zurückführen, dass die Netflix-Serie leicht verdaulich sein muss.
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