Think Big!: Die Sat.1-Serie über eine BWL-Studentin aus der Unterschicht ist schon allein wegen Hanna Plaß sehenswert.
Die Sat.1-Serie über eine BWL-Studentin aus der Unterschicht ist schon allein wegen Hanna Plaß sehenswert.
Vermutlich trauern sie bei Sat.1 noch heute jenen Jahren nach, als der Sender zwischen 2010 und 2014 mit „
Der letzte Bulle“ und „
Danni Lowinski“ die originellsten Serien im Programm hatte und mit tollen Quoten und vielen Preisen belohnt wurde. „Think Big!“ wird diese Zeit nicht zurückbringen, doch die zehn horizontal erzählten, aber in sich abgeschlossenen Folgen wecken jedenfalls die Erinnerung: Die Hauptfigur, Nicole Pütz, könnte Dannis kleine Schwester sein. Zumindest ist sie von gleichem Schlag, wenn auch stärker auf die Spitze getrieben: Während „Danni Lowinski“ Dramedy war, also ernste Themen heiter behandelte, ist „Think Big!“ Comedy pur. Ähnlich wie ihr „Vorbild“ will Nicole (Hanna Plaß), aufgewachsen im Brennpunkt Köln-Chorweiler, ihre soziale Determinierung durchbrechen. Und da der Titel Programm ist, denkt sie in größeren Maßstäben: Wo andere vom Nagelstudio träumen, will sie gemeinsam mit Freundin Ebru (Yasemin Cetinkaya) „was richtig Geiles“ auf die Beine stellen gleich eine ganze Kette gründen. Als ihr ein Banker angesichts des handschriftlichen „Businessplans“ klarmacht, dass er sie ohne BWL-Abschluss gar nicht ernst nimmt, beginnt sie kurzerhand ein Studium. Für das notwendige Abizeugnis sorgt ein befreundeter Fälscher; und dann geht die Geschichte erst richtig los.
Ähnlich wie die RTL-Serie „Jenny - echt gerecht“ mit Birte Hanusrichter lebt „Think Big!“ in ganz erheblichem Maß vom Temperament der Hauptdarstellerin: Hanna Plaß zieht zwar viele Comedy-Register, übertreibt es aber nicht. Die Inszenierung artet ohnehin nur selten in Klamauk aus, selbst wenn Nicoles Familienmitglieder diverse Klischees des Brennpunktmilieus in sich vereinigen. Allerdings läuft diese familiäre Ebene auch oft nur nebenher: hier Nicoles Konfrontationskurs an der Uni, wo sie sich regelmäßig gegen die nicht ganz unberechtigten Vorurteile eines humorlosen Dozenten (Holger Stockhaus) oder des arroganten Kommilitonen Alex (Nicolas Wolf) wehren muss, dort die Familie, die ein vermeintliches Flüchtlingsmädchen als Gratisputzfrau missbraucht und das dann auch noch frech Integration nennt. Das ist zwar ganz lustig, aber Nicoles Erlebnisse an der Uni sind deutlich gehaltvoller, was nicht zuletzt am Alien-Effekt liegt: weil sie den Hochschulbetrieb als Außenseiterin mit ganz anderen Augen sieht. Mitunter ist der entlarvende Ansatz etwas simpel, wenn sie beispielsweise den Unterschied zwischen Wissenschaft und Plagiat lernt (von vielen abschreiben ist okay, von einem abschreiben ist Betrug), aber entscheidend ist die Entwicklung der Figur: Anfangs ist Nicole jedes Mittel recht, weshalb sie keine Skrupel hat, die verzweifelt nach einer Freundin suchende Kommilitonin Johanna (Annina Euling) nach Strich und Faden auszubeuten, doch dann kommen ihr zunehmend Skrupel, zumal sie erkennt: Es ist viel befriedigender, ein Ziel auf ehrlichem Weg zu erreichen.
Das klingt schlicht, aber Hunschede und die Koautoren verpacken die Botschaft sehr unterhaltsam. Außerdem sorgt Hanna Plaß dafür, dass „Think Big!“ in erster Linie amüsant ist. Auf den ersten Blick mag es riskant wirken, diese Rolle einer kaum bekannten Schauspielerin anzuvertrauen, aber sie hat schon als Filmtochter von Michael Fitz in den „Hattinger“-Krimis (ZDF) und in dem Drama „
Hirngespinster“ (ARD) bleibende Eindrücke hinterlassen. Neben den Wortgefechten mit Alex und dem Professor schärft auch die Arbeit des Kostümbilds (Andreas Janczyk) das Profil der Figur: Natürlich kommt Nicole gar nicht erst auf die Idee, sich anzupassen, weshalb sie im Hörsaal prompt zum Paradiesvogel wird. Trotzdem wirkt ihre Kleidung nicht geschmacklos; sie trägt kein Stigma „Unterschicht“. Das gilt im Übrigen auch für die Familie, deren Sprachgebrauch ein bürgerliches Publikum trotz gelegentlicher Verstöße gegen die politische Korrektheit nicht erschrecken wird. tpg.