Für alle, die die Ereignisse rund um die Michael-Jackson-Doku „Leaving Neverland“ verfolgt haben, ist es vielleicht interessant, dass sie auch zeitnah in Deutschland zu sehen sein wird. ProSieben möchte aber Vorverurteilungen durch das Dargestellte entgegenwirken und zeigt zuvor eine andere Dokumentation über den „King of Pop“.
Es ist durchaus möglich, dass „Leaving Neverland“ den King of Pop in die Versenkung schickt. Zumindest haben verschiedene Radiostationen in Kanada und die BBC in Großbritannien schon verkündet, dass sie Lieder von Michael Jackson nicht mehr spielen werden. Die Enthüllungen in der HBO-Doku „Leaving Neverland“ haben sie zu diesem Schritt veranlasst. Deutsche Radiostationen verhalten sich eher abwartend, beziehen sich auf die Unschuldsvermutung und wollen die Entscheidung zum Teil auch den Hörern überlassen, denn Jackson-Songs erfreuen sich immer noch großer Beliebtheit.
Michael Jackson wurde 2005 in einem spektakulären Gerichtsverfahren freigesprochen, die Vorwürfe blieben dennoch an ihm hängen. 2009 verstarb er an einer Überdosis Beruhigungsmittel. In dem Verfahren ging es um den sexuellen Missbrauch von Kindern auf seiner Ranch Neverland. Zwei der betroffenen Kinder melden sich als erwachsene Männer in der Doku noch einmal zu Wort.
„Leaving Neverland“ im deutschen TV: ProSieben zeigt die Doku in der Primetime
Am sechsten April ab 20:15 Uhr können sich Interessierte auf ProSieben selbst ein Bild von der HBO-Dokumentation machen. Ein Bild von der juristischen Lage zu dem Fall kann sie allerdings nur bedingt bieten, denn hier geht es nicht um ausgewogenen Journalismus oder neutrale Aufklärung. Die Macher haben sich offensichtlich vorgenommen, das zu schaffen, was der Staatsanwaltschaft im damaligen Prozess nicht gelungen ist, nämlich die Anklage zur Verurteilung zu bringen.
Aus diesem Grund hat „Leaving Neverland“ nicht nur die Debatte um die mutmaßlichen Taten Jacksons wieder entfacht, sondern auch einen Austausch zum Thema True-Crime-Doku und ob das Fernsehen inzwischen die Gerichte ablöst. Eine wirklich interessante Frage, die eine intensive Debatte verdient. Denn das Problem dieser Sendungen ist, dass sie keiner Unschuldsvermutung verpflichtet sind, Informationen weglassen oder betonen und somit auch für eine Verurteilung zumindest durch das Publikum sorgen können. Wir empfehlen zur Vertiefung die Artikel von Spiegel Online, die sich intensiver mit dem Filmemacher als juristischem Akteur auseinandergesetzt haben.
Die Jackson-Familie hat HBO verklagt. Sie wurden für die Arbeiten an der Doku gar nicht kontaktiert, wie auch andere Kinder, die auf Neverland gewohnt haben, nicht angesprochen wurden. Zu gewissen Ungereimtheiten nimmt die Doku keine Stellung. Zum Beispiel berichtet einer der beiden Männer von geheimen Sexzimmern auf der Ranch. In diesem Zusammenhang wird aber nicht erwähnt, dass das FBI seinerzeit die gesamte Anlage auf den Kopf gestellt hat und dabei solche Zimmer nicht gefunden wurden.
ProSieben sendet Special zur Einordnung von „Leaving Neverland“
Diese Problematik scheint auch den Sender beschäftigt zu haben und so hat dieser entschieden, die HBO-Dokumentation mit einem ProSieben-Special zu ergänzen. Darin kommen Menschen zu Wort, die Jackson gekannt haben – Freunde, Feinde, Journalisten, angebliche Opfer – und es werden Fragen gestellt, die in der US-amerikanischen Doku nicht vorkommen. Weiterhin setzt sich der Beitrag mit bedeutenden Momenten im Leben des Künstlers auseinander. Passend zur aktuellen Debatte geht die Doku auch der Frage nach, wie die Vorwürfe auf die Einschätzung des Gesamtwerks des Autors zurückwirken. Dies alles soll dabei helfen den Beitrag von HBO besser einordnen zu können.