Netflix steckt in einer schweren Krise und entsprechend werden jetzt viele Steine beim Streamingdienst umgedreht. Einer davon ist die Filmsparte, wo Änderungen bevorstehen, die Filmfans kaum gefallen können.
Noch vor Kurzem schien Netflix das Nonplusultra in Sachen Streaming zu sein. Kein Weg führte scheinbar an dem ambitionierten Unternehmen vorbei, das kurz nach seinem ersten Original „Lilyhammer“ mit „House of Cards“ einen ersten wahren Hit vorweisen konnte. Danach ging es steil bergauf, weitere kulturelle Highlights wie „Stranger Things“ folgten, was auf Netflix landete, spielte kurz darauf mit verlässlicher Regelmäßigkeit in den Sozialen Medien eine Rolle. Netflix änderte dadurch die Spielregeln Hollywoods und verschob die Macht von den Kinos zunehmend zum Streaming.
Die fetten Jahre scheinen jetzt allerdings vorbei zu sein. Andere Streamingdienste wie Amazon Prime Video, Disney+ und in den USA auch HBO Max sorgen für einen harten Konkurrenzkampf, unter dem Netflix leidet. Nachdem im April verkündet wurde, dass Netflix im letzten Quartal sogar 200.000 Abonnent*innen verloren hatte, brach die Aktie ein. Fast die Hälfte seines Börsenwertes hat Netflix seit diesem Tag verloren. Entsprechend wird der Gürtel bei dem Streamingdienst jetzt enger geschnallt und das betrifft auch die Filmsparte.
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Eine Analyse von The Hollywood Reporter (THR), die mit Insider*innen gesprochen haben, zeichnet ein Bild dessen, was uns in Zukunft erwarten wird. Netflix wolle zwar an seinem Anspruch festhalten, jede Woche einen Film zu veröffentlichen und dennoch ist die Losung der Stunde „größer, besser, weniger“. Was genau damit gemeint ist, scheint selbst intern nicht allen klar zu sein, doch das Filmangebot von Netflix soll insgesamt wohl heruntergefahren werden.
Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass auch weniger investiert wird; THR liefert das Beispiel, dass der Streamingdienst statt zwei Filmen, die jeweils 10 Millionen US-Dollar kosten, einen produzieren wird, der 20 Millionen US-Dollar kostet. Im Optimalfall will man eben weniger auf Quantität und mehr auf Qualität setzen; wobei das ebenfalls eine äußerst vage Ansage ist, da Qualität ja unterschiedlich interpretiert werden kann. Zwar sollen kleine Filme nicht verschwinden, wobei der Trend allerdings wohl dennoch zu größeren, prestigeträchtigeren Projekten zu gehen scheint. Welche Filmhighlights euch dieses Jahr übrigens noch bei Netflix erwarten, verrät euch unser Video:
Prestigeträchtige Film-Projekte stehen vor dem Aus
Netflix-CCO Ted Sarandos hob bei der schicksalsträchtigen Präsentation der Quartalszahlen die „großen Event-Filme“ hervor, unter anderem den Agenten-Actionfilm „The Gray Man“, der 200 Millionen US-Dollar verschlungen haben soll, und die beiden „Knives Out“-Fortsetzungen, die den Konzern mal eben 469 Millionen US-Dollar gekostet haben. Das Ziel scheint also zu sein, weiterhin Filme zu schaffen, an denen die Zuschauer*innen praktisch nicht vorbeikommen und deswegen ein Abo bei Netflix abschließen müssen. Im Zuge dessen verwies Sarandos auf vergangene Erfolge in dieser Hinsicht, namentlich „Don’t Look Up“, „Red Notice“ und „The Adam Project“.
Mit diesen gewaltigen Event-Filmen folgt Netflix dem aktuellen Trend der großen Hollywood-Studios, die auf weniger Projekte setzen, dafür aber eben in gefühlt jeden Film ein Budget im dreistelligen Millionenbereich stopfen. Wer Netflix‘ Filmambitionen also eher verfolgt hat, um mit mittelbudgetierten und kleineren Produktionen einen Gegenentwurf zum Hollywood-Bombast zu erleben, dürfte von dieser Entwicklung wenig begeistert sein. Leider passend dazu betrifft ein Großteil der 150 Entlassungen, die es seit April gab, die Abteilung der unabhängigen Original-Filme, die bei einzelnen Projekten mit Budgets von unter 30 Millionen US-Dollar hantiert hat.
Zumal der Artikel von THR trotz all der Unsicherheit über den neuen Plan deutlich macht: Die großen Traumprojekte von beliebten Filmemacher*innen wird es in Zukunft wohl kaum noch geben. Gemeint sind damit solche Werke wie Martin Scorseses „The Irishman“ und Alfonso Cuaróns „Roma“. Diese verschlangen teils enorme Summen („The Irishman“ kostete angeblich 180 Millionen US-Dollar), erhielten aber in der großen Masse der Abonnent*innen nicht so viel Aufmerksamkeit wie vergleichsweise seichtere Projekte wie „Red Notice“. „Diese Neigung, alles zu tun, um Talente anzulocken und ihnen einen Blankoscheck zu geben, wird vorbei sein“, meint ein*e Insider*in im Gespräch mit THR. Für Filmfans, die nicht nur Lust auf Popcorn-Kino haben, sondern gerade diese künstlerisch anspruchsvollen, ruhigeren Projekte mochten, die es eben eh schon immer weniger in Hollywood gibt, ist das zweifellos eine traurige Nachricht.
Wie gut kennt ihr die Netflix-Filme? Macht den Test: